Steiner & Madlaina Risiko
Interviews

Steiner & Madlaina im Interview über ihr neues Album „Risiko“

Die beiden Zürcherinnen Nora Steiner und Madlaina Pollina sind längst auch hierzulande nicht mehr von der Bildfläche wegzudenken. Als Steiner & Madlaina standen die beiden bereits auf allen erdenklichen Bühnen Deutschlands und der Schweiz. Am 14. April erschien ihr drittes Album mit dem Titel „Risiko“. Unsere Redakteurin Nina Martach hat mit den Beiden über Frauen in der Musikbranche, ihr Geheimrezept für gute Zusammenarbeit und das Adressieren gesellschaftskritischer Themen in ihren Texten gesprochen.

Eure Single „Besser Wird’s Nicht“ ist am 24. März erschienen. Könnt ihr mir ein bisschen zur Entstehungsgeschichte des Songs erzählen?

Nora: In dem Song geht es um banale Gespräche, die man mit Bekannten führt und die sich immer wiederholen. Es geht immer um die gleichen Probleme, die nicht wirkliche Probleme sind. Und die werden immer wieder durchgekaut, bis es irgendwann langweilig wird. ​​Im Refrain geht es dann aber darum, dass man sich sagt: „Komm, besser wird’s nicht. Dafür haben wir einander.“

Du sagst schon, in dem Song geht es um Erlebtes mit Bekannten. Woher nehmt ihr sonst noch die Inspiration für eure Songs?

Madlaina: Wir verarbeiten schon Dinge, die wir in unserem Umfeld erleben und hören. Auch Gespräche, die man mitbekommt, können auch ausschlaggebend sein. Manchmal passiert aber auch einfach alles komplett im Kopf. Das gibt’s bei uns keine Regel.

Also findet man in euren Texten meistens wahre Geschichten wieder?

Madlaina: Ja, man kann ja auch nicht über etwas schreiben, wovon man gar keine Ahnung hat, denke ich. Deshalb muss definitiv immer etwas von dem in den Texten sein, was gerade in unseren Köpfen rattert. Ob das lyrische Ich am Ende wirklich ein Ich ist, wechselt von Song zu Song.

Realisieren die Menschen, die euch kennen, wenn ihr wirklich mal etwas absolut persönliches in den Songs verpackt?

Madlaina: Ich glaube, die Leute, die etwas mit uns zusammen erlebt haben, wissen das dann schon. Es ist aber zum Glück auch schon oft passiert, dass Leute sagen: „Das in dem Song, das könnte ich sein.“ Weil wir über Sachen schreiben, die nicht nur uns betreffen, sondern die alle wahrscheinlich fühlen.

Auf eurem Debütalbum habt ihr noch mehrsprachig gesungen, danach erstmal nur deutsch. Wie entscheidet ihr, auf welcher Sprache ihr singt?

Madlaina: Wir schreiben ja in erster Linie Hochdeutsch. Es ist ein Ziel für uns, mehr auf Schweizerdeutsch zu schreiben. Das ist aber schwieriger, weil es halt eine gesprochene und keine geschriebene Sprache ist.

Nora: Und es gibt wenig Vorbilder – weder in der Musik, noch in der Literatur. Wenn uns Songtexte auf Schweizerdeutsch gelingen, dann freut uns das natürlich sehr. Aber Hochdeutsch ist schon unsere Hauptsprache beim Schreiben.

Madlaina: Es haben uns tatsächlich schon ein paar Leute gefragt, ob wir nicht Übersetzungen veröffentlichen könnten. Aber das stelle ich mir auch schwierig vor.

Steiner & Madlaina – Besser wird’s nicht

Ihr macht schon seit der Schulzeit zusammen Musik. Was ist euer Rezept für eine gute Zusammenarbeit?

Nora: Kreative Meinungsverschiedenheiten gibt es bei uns eigentlich nicht. Da kriegen wir uns schon eher mal privat ein bisschen in die Haare. Und das sind auch nur Kleinigkeiten wie jemand ist müde oder hungrig oder hat an einem Tag einfach eine dünne Haut. Und die andere Person trifft einfach ungewollt die falsche Stelle. Dann gibt es halt mal eine kleine Zickerei.

Madlaina: Ja, sowas gibt es ja in allen Freundschaften mal. Und bei uns ist das ganze dann auch genauso schnell wieder gelöst, wie es gekommen ist. Wir streiten sehr wenig. Zum Glück!

Madlaina: Ich glaube, sowohl im Privaten als auch im Kreativen geht es einfach um gegenseitigen Respekt. Würden wir beide insgeheim denken, wir könnten es alleine besser, würde das definitiv unserer musikalischen Zusammenarbeit schaden. Und wir wissen einfach, dass wir zusammen besser sind als alleine.

Nora: Ich glaube, unser großes Glück ist auch, dass wir unter sehr ähnlichen Bedingungen aufgewachsen sind. Wir haben beide ähnliche Familienverhältnisse. Meine Mutter ist aus Griechenland, Madlainas Vater aus Italien. Auch die Werte, mit denen wir erzogen wurden, sind sehr ähnlich. Und ich finde es selber bemerkenswert, wie sehr wir uns in unserer Vorstellung vom Zusammenarbeiten ähneln. Weil das ist, glaube ich gar nicht selbstverständlich.

Madlaina: Ja, wir sind uns zum Beispiel beim Thema Geld auch immer einig. Das ist vor allem für uns kein Tabuthema. Wir können sehr gut über Geld reden. Wir haben die exakt gleiche Vorstellung davon, wie man mit Geld umgehen sollte. Dementsprechend gibt es auf der geschäftlichen Seite unserer Zusammenarbeit auch keine Auseinandersetzungen.

Madlaina: Und was für mich auch wirklich besonders ist, ist, dass wir künstlerisch eine sehr spezielle Verbindung haben. Wir fühlen einfach gleich.

Glaubt ihr, das liegt eher daran, dass ihr schon so lange zusammen Musik macht oder habt ihr euch gefunden, eben weil ihr so gut zusammen passt auf so vielen Ebenen?

Nora: Ich glaube, es ist Schicksal. Das klingt jetzt mega verrückt und normalerweise glaube ich sonst nicht an sowas. Aber irgendwie ist das bei uns so ein „Once in a lifetime”-Ding. Wir haben einfach Glück gehabt, dass wir uns auch schon so früh kennengelernt haben.

Madlaina: Zum einen das. Und zum anderen haben wir dann auch dieselben Entwicklungen durchgemacht. Und dadurch, dass wir zu vielem auch die gleiche Meinung haben, sind wir noch enger zusammengewachsen.

Wie geht ihr mit kreativen Unterschieden innerhalb der Band um und wie kommt ihr zu Entscheidungen?

Nora: Was unsere Musik betrifft, gab es das tatsächlich noch nie. Beim Song „Man Tut, Was Man Kann“ mochte Madlaina anfangs den Gesang nicht. Ich fand ihn gut. Sie hat ihn trotzdem nochmal neu gemacht und ich dachte mir nur: „Ja, sie hatte damit absolut recht.“

Madlaina: Wenn sowas passiert, dann sagen wir uns halt: „Es ist dein Gesang, wenn du damit nicht leben kannst, dann kann ich das auch nicht.“ Und das ist genau das Vertrauen, was man in die andere Person haben muss.

Steiner & Madlaina – Paradies

Eure Musik ist ja nicht nur mit persönlichen Erlebnissen gespickt, sondern teilweise auch sehr gesellschaftskritisch. Wen wollt ihr in erster Linie erreichen?

Madlaina: Oh, das ist eine schwierige Frage. Man sollte nie die Illusion haben, dass man Leute mit seiner Musik bekehren kann. Man wünscht sich auf jeden Fall, dass man durch die Emotionalität, die Musik innehat, eher einen Zugang zu bestimmten Themen schaffen kann, als es andere vielleicht können. Aber, was glaube ich auch nicht unwichtig ist: Wenn die Menschen unsere Musik hören, die eh schon eine Meinung mit uns teilen, können sie diese dadurch vielleicht etwas stärken. Und das ist auch gut.

Ich finde, eure Musik adressiert gesellschaftskritische Themen auch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern gibt auf kreative Art eher einen Denkanstoß, den man sonst vielleicht nie bekommen würde.

Nora: Das wäre natürlich optimal!

Ihr seid momentan mit AnnenMayKantereit auf Tour. Was nehmt ihr für euch als Band aus so einer Zeit mit?

Nora: Mich berührt vor allem extrem, wie die Band mit wenigen Mitteln in einem riesigen Stadion eine unfassbare Intimität kreiert. Die Konzerte sind fast schon wie eine Art Hippie-Festival. Es ist so viel Liebe im Raum. Sowas habe ich bisher selten erlebt. Die Art, wie wir touren, kann man allerdings überhaupt nicht vergleichen. AnnenMayKantereit haben ein riesiges Team. Wir sind nur zu siebt und fahren selbst in einem kleinen Bus. Und, was wir immer wieder merken, wenn wir mit so großen Bands zusammen sind, ist, dass wir dieses kleine Team extrem lieben und schätzen.

Nora: Was ich bemerkenswert finde, ist der respektvolle Umgang, der untereinander herrscht. Nicht nur innerhalb der Band, sondern auch gegenüber ihrem und unserem Team.

Habt ihr Unterschiede in der Behandlung als Frau im Vergleich zu männlichen Musikern auf Tour bemerkt? Wenn ja, welche?

Nora: Bei der Tour mit AnnenMayKantereit überhaupt nicht. Sie haben ja auch selber sehr viele Frauen auf der Bühne mittlerweile. Und die Band achtet selbst sehr darauf, dass wir uns wohlfühlen und nicht schräg behandelt werden.

Madlaina: Bei Festivals kommt das aber tatsächlich häufiger vor.

Nora: Das letzte Mal, als wir das so richtig zu spüren bekommen haben, war 2019. Da hatten wir mehrere Festivals, auf denen wir echt nicht gut behandelt wurden und total fertig waren nach dem Sommer. Das war richtig hart, weil es für uns einfach so viel kaputt gemacht hat. Mittlerweile passiert das seltener. Vielleicht auch, weil wir als Team nicht so angreifbar sind.

Madlaina: Wir haben aber auch gelernt, uns zu schützen. Und das bedeutet eben nicht mehr, aus solchen Situationen rauszugehen, sondern zum Beispiel Tourmanager:innen zu haben, die da hinter uns stehen.

Das Bewusstsein für das Thema ist in den letzten Jahren ja zum Glück auch etwas größer geworden.

Madlaina: Das auf jeden Fall. Auch, wenn da definitiv noch viel mehr geht.

Steiner & Madlaina – Risiko

Ihr tretet auch auf Festivals auf. Nun ist ja bekannt, dass das Line-up vieler Festivals größtenteils aus männlich besetzten Bands und Künstlern besteht. Wie geht ihr damit um?

Madlaina: Wenn man angefragt wird, kennt man das Line-up noch nicht. Und in dem Moment muss man halt zu- oder absagen, auch ohne es zu kennen. Aber klar, wir reden natürlich über sowas. Und vor allem die kleineren Festivals achten ja auch schon länger auf ein ausgeglicheneres Verhältnis von Männern und Frauen im Line-up. Die großen Festivals machen das leider nicht. Obwohl die ja eigentlich den Ton angeben müssten.

Nora: So oder so, wir würden auch auf einem eher männlich besetzten Festival spielen. Einfach, um die Frauenquote hochzuziehen. Auf manchen Festivals würde ja schon eine Frau im Line-up die Quote um hundert Prozent verbessern.

Erkennt ihr bei dem Thema Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland?

Madlaina: Ich finde, es gibt einen ganz krassen Unterschied. In Deutschland wird nämlich viel stärker gegendert. Und zwar vor allem in den großen Medien. Jede zweite Person, die uns interviewt, gendert. In der Schweiz passiert das nicht. Das finde ich in Deutschland im direkten Vergleich sehr beeindruckend.

Nora: Ja. Ansonsten gibt es solche Fälle, wie dass zu wenig Frauen auf Festivals gebucht werden, in der Schweiz leider genauso wie in Deutschland. Da sehe ich keinen Unterschied. Aber wir werden es ja dieses Jahr wieder sehen. Es ändert sich in der Hinsicht schon vieles schneller, als ich erwartet hätte. Deshalb bleibt es jedes Jahr aufs neue spannend für uns.

Vielen Dank für das Gespräch, ihr zwei!

Foto: Nils Lucas

Interview: Nina Martach

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