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Crack Ignaz im Interview über „Sturm & Drang“, Chaos und Lokalpatriotismus

Crack Ignaz erwartet uns mit seinem ersten Soloprojekt seit dem Tape „Marmeladé“ von 2016. „Sturm & Drang“ ist eine Erzählung von Beziehungen in jeglichen Formen, es ist eine Geschichte zwischen Weltoffenheit und Verschlossenheit. Der einstige Dialekt-Rapper und „König der Alpen“ drückt sich mit Hilfe seines Produzenten BVRGER den lang verdienten internationalen Stempel auf und bietet einen Gegenentwurf des oft zelebrierten Lokalpatriotismus im Deutsch-Rap.

Bevor wir auf dein am 14. August erscheinenden Album „Sturm & Drang“ schauen würde ich gerne mit dir nochmal zurückreisen und zwar ins Jahr 2016. Damals warst du auf dem JUICE Cover. Unter der Headline: Deutschraps-Zukunft posierst du dort neben Chima Ede, LGoony, Ufo361, Nimo, Haiyti und Rin. Wie blickst du heute auf dieses Cover zurück.

Crack Ignaz: Eigentlich fand ich das ziemlich geil damals und ich finds auch heute noch ziemlich geil. Die Leute die da drauf sind, sind ziemlich legit. Das war eine coole Idee und der Pick hat sich zum Großteil bewahrheitet. Ich weiß noch, dass ich mich damals das erste mal richtig appreciatet gefühlt habe. Zu der Zeit habe ich ja nur Dialekt-Rap gemacht. Dann zu hören, dass man „Deutsch-Rap“ ist, das hört man als Dialekt-Rapper eigentlich eher nicht. Diese Tatsache und dass ich mit diesen Namen auf dem Cover hab sein dürfen, das war schon geil.

Fast vier Jahre später bringst du nun ein neues Album raus. Wenn man sich das Artwork von „Sturm & Drang“ so anschaut, wirkt das ziemlich episch, was war dein Gedankengang dabei?

Crack Ignaz: Auf dem Artwork ist praktisch meine „wahre“ Form zu sehen – der Engel der ich bin. Ich sitze da mit gesenktem Haupt, auf der Treppe die die Erde mit dem Himmel verbindet und ich habe mich erschöpft niedergelassen. Vor diesem Engel öffnen sich finsterste Wolken und hinter ihm leuchtet der Segen Gottes. Die Entstehungsgeschichte ist kind of chaotic. Ich habe ursprünglich einen iranischen Künstler beauftrgt, dass er mir das malt – der iran ist ja schließlich das Land der Engel. Mit dem Ergebnis war ich aber sehr unzufrieden. Letztendlich habe ich mit einer guten Freunden (@uglybutbroke) eine Stunde vor der Deadline bei Photoshop ganze Farben verdreht und die Komposition durcheinander gebracht. Das ist schließlich dabei rausgekommen und es entspricht genau meiner Vorstellung – witzigerweise.

Crack Ignaz – Flaschenpost (Musikvideo)

Obwohl du auf „Sturm & Drang“ den Dialekt ja nicht komplett ablegst und die Mundart auf Songs wie „Hackl Hart“ ja auch etwas feierst, scheinst du dich von dem Dialekt-Rap etwas entfernt zu haben. Du bist kosmopolitischer geworden. Mit BVRGER hast du dir einen Produzenten aus Italien an deine Seite geholt und in vielen europäischen Metropolen produziert. Denkst du, man hört diese verschiedenen lokalen Einflüsse in der Musik raus?

Crack Ignaz: Ich höre die Einflüsse auf jeden Fall raus, aber neben der Stadt ist auch die Jahreszeit zu der der Song entstanden ist sehr wichtig und hat sich auf die Musik ausgewirkt. Ich hoffe und denke auch, dass andere es raushören würden. Ein Beispiel dafür ist „Flaschenpost“. Der ist im Herbst in Kreuzberg entstanden oder „Zufällig“ haben wir in Barcelona recordet. „Hackl hart“ ist natürlich in Wien entstanden. Ich hab schon gemerkt, dass der Dialekt an sich schon eine große Hürde war für mich. Zu meinem letzten Album mit Young Krillin haben wir eine Releaseparty mit Wiener Journalisten veranstaltet, die gesagt haben, dass sie eigentlich nichts verstanden haben. Das war erschrecken für mich, weil man ja doch denken würde, dass man sich in Österreich untereinander versteht. Deshalb glaube und hoffe ich, dass „Sturm & Drang“ mein verständlichstes Album ist und nicht unnötig viel verschlüsselt.

Heutzutage sind Rapper und ihre dazugehörige Postleitzahl oder Vorwahl gar nicht mehr voneinander zu trennen. Du hast dich wie gerade beschrieben für einen ganz anderen Ansatz entschieden. Ist „Sturm & Drang“ für dich ein Gegenentwurf zum hiesigen Lokalpatriotismus im Rap? 

C.I: True. Aber es war nicht gewollt. Ich beobachte Deutsch-Rap aber auch nicht wirklich. Es ist einfach das, was ich schön find. Ich finds voll komisch, wenn man schon die Möglichkeit hat aus allen Ecken von Europa etwas zu erfahren und diese nicht nutzt. Ich kann das zum Glück einfach machen mit meiner Arbeit, kann einfach durch die verschiedenen Kulturen Europas reisen und die Kultur aufsaugen. Es ist zwar kein beabsichtigter Gegenentwurf zum Lokalpatriotismus, aber irgendwie hoffe ich schon, dass es das ist.

Welche Motive behandelst du in deiner Kunst?

C.I: Ich will nicht, dass es zu platt klingt, aber es geht um Liebe, Gewalt und die menschliche Psyche, also alles, was zwischen Liebe und Gewalt liegt.

Passenderweise bist du zuerst mit einem Song rausgekommen, der alle drei Motive verbindet – Herzschmerzgang..

C.I: Ja, ich habe einfach hart gevibet mit dem Song, deshalb musste ich ihn rausbringen, aber bei mir ist das so, sobald der Song draußen ist, distanziere ich mich etwas davon und ein halbes Jahr oder ein Jahr später komme ich dann wieder dahin zurück.

Bipolar (Musikvideo)

Auf deinem Album lassen sich auch viele Mental Health Songs wiederfinden, sie Ave Manie oder Bipolar. Ist das ein Thema, mit dem du dich vermehrt auseinandergesetzt hast bezogen auf dich?

C.I:  Auf mich selbst bezogen eher weniger. Es interessiert mich generell einfach. Bei mir selbst übersehe ich es größtenteils. Aber ich finds super spannend bei den Menschen einen Einblick zu haben, wenn sie einem den gewähren.

Das Motiv der Gewalt spielst du beispielsweise sehr deutlich in dem Song „Sportschützenverein 5020“ an…

C.I: Genau, es sgeht zwar um Gewalt aber auch um den Aspekt, dass Gewalt auch Spaß machen kann und sich oft gar nicht wie Gewalt anfühlt. Das ist in dem Song überzeichnet. Er hängt auch direkt mit dem Track „Ave Manie“ zusammen.

Jetzt ist deutlich geworden, dass der künstlerische Schaffensprozess seltenst linear ist, die Diskrepanz dazwischen was man sich vorstellt und dem was im Endeffekt dabei rumkommt, war auch bei dir nicht nur beim Artwork sehr groß, wie bewertest du diesen Prozess?

C.I: Ich finds was sehr Gutes! Ich glaube das kommt daher, dass man sich selbst nicht zu 100 Prozent durchblickt. Wenn man dann etwas geschaffen hat sieht man diese ganzen Teile von sich, für die man vielleicht einen Blind-Spot hat. Ich selbst liebe in meinem künstlerischen Prozess auch die „chaotische Perfektion“. Wenn ich detailverliebt oder perfektionistisch bin, dann auf jeden Fall chaotisch.

Foto: Shirin Siebert

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