Stadt ohne Mehr 2024
Live

Stadt am Rhein wird zur Stadt ohne Meer – SoM-Festival im Kölner Tanzbrunnen

Bei bestem Open-Air-Wetter machten OK KID am 10. August mit der ersten Kölner Ausgabe ihres Festivals die Metropole am Rhein zur „Stadt ohne Meer“. Damit holte die Gießener Band das in ihrer Heimat seit 2018 etablierte Festival in ihre Wahlheimat. Die Idee hinter der Veranstaltung sei dabei von Anfang an gewesen, ein Event zu schaffen, das Besucher:innen und Artists gleichermaßen lieben. Genre? – Ganz egal, das Wichtige: Die richtige Mischung  an diversen Acts, gerne Newcomer:innen, eine gewisse politische Haltung, faire Preise plus viel Liebe zum Detail.

Eben diese Mischung lockt heute 6.500 Besucher:innen für einen Samstag ohne Meer in den Tanzbrunnen. Pünktlich zum Festivalbeginn strömen die Festvialgänger:innen in der Mittagshitze vom Bahnhof den Rhein entlang Richtung Festivalgelände. „Köln ist jetzt offiziell Stadt ohne Meer“ – mit diesen Worten eröffnen die Veranstalter selbst das Festival. Das Bühnenbild mit großem „OK KID“-Schriftzug und schwarz-weißen Zeichnungen mit Elementen ihrer Albencover im Hintergrund, über der Menge große beige Sonnensegel mit Deko-Quallen, die im Wind wehen, Glitzer auf den Wangen der Festivalbesucher:innen, tanzende Regenbogenflaggen: immer wieder fällt etwas neues ins Auge und rahmt die Band in eine bunte, glitzernde Szenerie ein. Sie singen von „Kaffee warm“ und „Cold Brew“, während die tanzende, schwitzende Menge versucht, jeden erfrischenden Windstoß mitzunehmen. „Ich hatte schon Sorge, dass gar nicht so viele kommen, wenn wir in der Mittagshitze starten. Aber ihr seid alle da!“, freut sich Schlagzeuger Raffael Kühle. Zwischen ihren Songs positionieren sie sich mit Statements gegen Homophobie, Rassismus und Fremdenhass. Nach einer Runde Crowdsurfen für Frontsänger Jonas Schubert verabschiedet sich die Band mit ihrem Song und Motto des Tages „Stadt ohne Meer“ von der Bühne – und damit in eine kreative Bühnenpause.

In den angenehm kurzen Umbaupausen bietet das liebevoll gestaltete Festivalgelände genug Unterhaltung: von Foodtrucks und Cocktailständen über Tischtennisplatten, einen kleinen Markt mit Handgemachtem und kostenfreien Bastel- und Glitzer-Schmink-Stationen bis hin zum aufgeschütteten „Strand ohne Meer“ mit Rhein- und Domblick. Egal ob Familien, jugendliche Clique, Pärchen in der Dreißigern oder Freundesgruppen um die 50, hier verbringt eine bunte Festivalmenge einen harmonischen gemeinsamen Tag ohne Meer.

Atlantik und TRÄNEN

Die Nächste im Line-up: Newcomerin elimako. Die 23-jährige Musikerin, die bereits als Support für Jeremias und Ennio aufgetreten ist, teilt sich die Bühne heute allein mit ihrem Keyboard. Mit ruhigen Indie-Songs wie „Atlantik“, in welchem sie eine Trennung verarbeitet hat, sorgt sie für eine melancholische Stimmung. Doch diese Stimmung hält nicht lange an, als kurze Zeit später die punkige Indie-Pop-Band TRÄNEN die Bühne übernimmt. Das Duo aus Sängerin Gwen Dolyn und Kraftklub-Gitarrist Steffen Israel bringt die Menge schnell wieder vom Wiegen ins Hüpfen und Tanzen. Zwischen rhythmischen Gitarrentönen und Synthesizern singt Gwen Dolyn mit energetischer Stimme in Songs wie „Mitten ins Gesicht“ oder „Schießen lernen“ von Verletzlichkeit und Ängsten, die einen als FLINTA-Person begleiten. Zusätzlich zu den Messages ihrer Songs, spricht die Band sich zwischen den Lieder gegen Faschismus, Transphobie und Homophobie aus und sorgt damit für Klatschen und Pfeifen der Menge. Steffen Isreal macht noch schnell ein BeReal mit der jubelnden Fanmenge, bevor die ersten Töne von „Stures dummes Herz“ ertönen und sich kleine Moshpits öffnen. Als TRÄNEN wieder im Backstage verschwinden, lassen sie die Besucher:innen mit einer Mischung aus Freudentränen und Schweißperlen zurück.

Zwischen Moabit und Blumengarten

Nach dem Bühnenumbau kündigt ein schwarzes Banner mit großen weißen Buchstaben den nächsten Act „APSILON“ an. Der 26-jährige Newcomer rappt von seinem Leben als Sohn türkischer Gastarbeitenden in Moabit. Mit Songs voll antikapitalistischer Kritik und Lines wie „Fick eure neuen reichen Freunde“ zeigt auch er klare Haltung auf dem SOM, das sich politische Statements und Awareness auf die Fahne schreibt. Das er vor seinem Auftritt, wie dem Publikum erzählt „mies aufgeregt war“, merkt man seiner lässigen und nahbaren Performance dabei keineswegs an. Bei „Baba“ und einem noch nicht veröffentlichen Track, für den die Jungs von Blumengarten schon mit auf die Bühne kommen, zeigt er seine verletzliche Seite. Nach „Zufall“ macht er die Bühne frei für den Auftritt von Blumengarten und versichert den Besucher:innen: „Vallah, ich liebe Köln. Mein Herz geht auf!“

Das Bühnenbild wechselt zu einem silbern-schimmernden Vorhang und Band-Setup mit Schlagzeug und Keyboard und das sympathische Duo Blumengarten kommt auf der Bühne an. Die Künstler aus Velbert verraten, dass in Köln spielen für sie quasi ein Heimspiel sei und performen zum ersten Mal ihren neuen unveröffentlichten Song „Daheim“. Als kleine Ode an Köln stimmen sie darauf „Vielleicht Vielleicht“ von AnnenMayKantereit an und die Menge singt und grölt mit. „Da bin ich jetzt etwas neidisch, lass uns mal was testen.“, gibt Producer Sammy zu und zeigt sich nach einem kurzen Anspielen des Refrains von „Paris Syndrom“, welcher textsicher vom Publikum mitgesungen wird, sichtlich zufrieden. Denn obwohl sie gerade erst an ihrem ersten richtigen Album arbeiten, treffen sie hier auf viele Fans, die Song für Song mitsingen. Ein paar Mal stoppt Sänger Rayan, um auf Hilfebedürftige in der Menge aufmerksam und Gassen für die Security bilden zu lassen. „Bitte passt bei der Hitze gut auf euch auf.“ Als sie nun „Paris Syndrom“ nochmal von vorne anstimmen, kommt Paula Hartmann mit auf die Bühne und es fühlt sich immer mehr so an, als würden sich mit dem heutigen Lineup viele Freund:innen wiedersehen. Nach „Rosa Rugosa“ hinterlässt das Duo ein sich in den Armen liegendes, euphorisches Publikum.

Blumengarten & Paula Hartmann auf dem Stadt Ohne Meer Festival in Köln

Kleine Feuer in der Großstadt

Die Szene wechselt aus dem „Blumengarten“ in die eines grauen Großstadtmärchens, ein Knistern ertönt und eine Stimme liest „Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug“ vor. Paula Hartmann erscheint auf einem Häuserblock und eröffnet mit „Kleine Feuer“ ihren Auftritt. Immer wieder entstehen kleine Feuer auf ihrem Bühnenbild, Rauch erscheint und Paula Hartmann tanzt mit ausdrucksstarken Moves und Wind in den Haaren über ihre Skyline. Sie erzählt und singt vom Verliebt sein und gebrochenen Herzen und erklärt: „Ich war noch nie verliebt. ABER ich habe gerade ganz doll Gänsehaut!“ Für ihren „persönlichen Lieblingspart der Show“ steigt sie von ihrer Skyline runter zu Live-DJ Friso, der während der gesamten Performance auch den Titel Hype-Man verdient hätte. Zusammen bauen sie Loops auf dem Sample-Pad für eine Version von „Fahr uns nach Hause“, die es in sich hat. Danach folgt die nächste Premiere des Tages und Apsilon kommt für einen noch nicht veröffentlichten gemeinsamen Song wieder auf die Bühne. „Komm wir steigen auf ein Parkdeck, gucken runter auf das Chaos bis zum nächsten Morgengrauen.“, singen die beiden und passen damit perfekt ins Bühnenbild. Mit „Atlantis“, „Babyblau“ und „DLIT“ kann dann auch der letzte im Publikum einen Haken an seine Song-Wunschliste machen, bevor Paula sich ins Backstage verabschiedet.

Moshpit-Romantik

Jeremias auf dem Stadt Ohne Meer Festival in Köln

Während die Sonne langsam hinter den Häusern der Altstadt verschwindet und die Deko-Quallen immer stärken aufleuchten, wird hinter einem weißen Vorhang die Bühne für die Headliner aufgebaut. Wer eben noch den ein oder anderen Act im Sonnenstuhl am Strand verpasst hat, steht spätestens jetzt vor der Stage und beobachtet ein Schattentheater mit Frontmann Jeremias Heimbach im Lichtkegel. Der Vorhang fällt und die Band startet ihre Show mit „Clown zum Freak“. Bei „hdl“, „ich mags“ und „Wir haben den Winter überlebt“ beweisen die Besucher:innen ihre Textsicherheit und bis in die letzten Reihen wird getanzt. Auch die Indie-Pop-Band hat eine Überraschung für ihre Fans mitgebracht und gibt eine Hörprobe eines noch unveröffentlichten Songs: „Mehr, bitte sehr.“ Danach wird es ruhiger, die bunte Lightshow erlischt und ein Piano in der Bühnenmitte rückt ins Scheinwerferlicht. Der Anfang von „Grüne Augen lügen nicht“ ertönt und als sei der Song allein nicht schon emotional genug, sorgt spätestens ein Heiratsantrag in der Menge für ordentlich Gänsehaut. Im nächsten Moment werden schon wieder Moshpits geöffnet, es wird getanzt, gejubelt und gehüpft. Dabei spricht die Band immer wieder mit ihren Fans und stellen klar: „Wir lieben euch, Köln!“ Schließlich formen die Scheinwerfer sich zu einem roten Herz und die Band schließt mit ihrer Zugabe „Fallen“ einen Tag ohne Meer ab, an den die Besucher:innen sich mit Sicherheit noch länger erinnern werden.

Ob es das „Stadt ohne Meer“-Festival auch im nächsten Jahr wieder in Köln stattfinden wird, wurde bis dato noch nicht angekündigt. Nach dem Festivaltag schließen wir uns den Jeremias hier jedoch gerne an: „Mehr, bitte sehr.“ TRÄNEN, Apsilon, Blumengarten und Paula Hartmann spielen diesen Sommer noch mehrere Festivals. Im Frühling 2025 geben Blumengarten mit ihrer „Ich liebe dich für immer“-Tour Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Tickets sind derzeit noch für alle Tourstopps erhältlich.

Bericht & Fotos: Clara Meyer zu Altenschildesche
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