Haiyti führt ein „Mieses Leben“ als Untergrundikone
Drei Alben in knapp einem Jahr? Wer im Deutsch-Rap-Game hat bitte solch einen krassen Output? Wichtig ist dabei nur zu bedenken, dass der hohe Output bei Haiyti nicht mit dem Spruch „Quantität vor Qualität“ einhergeht. Die ganz großen Pop-Momente wie zuletzt auf „Sui Sui“ mit „La La Land“ oder auf „Influencer“ mit „Holt mich hier raus“ hat sich die Hamburgerin auf ihrem neuen Überraschungsalbum „Mieses Leben“ verkniffen. Dafür reiht sich Underground-Hit and Underground-Hit, fiese Flows and rhythmische Reimpassagen und ein melodisches Verständnis, was in der derzeitigen Szenerie seines Gleichen sucht.
„Mieses Leben“ bleibt trotz seiner 18 Tracks ein kurzweiliges Trap-Erlebnis. Das liegt an zweierlei Dingen. Zum einen an der abwechslungsreichen Produktion, an der Jaynbeats, Asadjohn, der auch schon das legendäre Tape „City Tarif“ verantwortet und schon seit langer Zeit Haiytis Tour-DJ ist, Sosa, Alexis Troy, Jush und Robberys eigens gegründeten mysteriösen Produzenten-Kollektivs „Project X“, beteiligt waren. Zum anderen liegt das an den kurzweiligen Tracks, die selten die Drei-Minuten-Marke überschreiten. Man könnte meinen, dass Haiyti sich durch den zweiten Punkt zu einer Untergebenen der kalkulierten Streaming-Kultur macht, jedoch gibt es bei der nun Wahl-Berlinerin einen künstlerischen Anspruch dahinter. Selten war ein Album so artsy und Untergrund zugleich.
Untergrundikone, der letzte Punk, Popstar aus der Future. Haiyti ist all das und vor allem eins: Inspiration. Wer sich durch die hiesigen Charts klickt, wird immer wieder Tracks entdecken die sich in Wortgewandtheit und Soundkonstrukt verdächtig nach Robbery-Imitation anhören – wären sich doch wenigstens so mutig und würden ein ähnliches Maß an Experimentierfreude beinhaltet. Das Leben ist mies, aber es gibt kein anderes. Und ob mies scheiße oder mies geil, das kann immer noch jeder selbst entscheiden. Der Soundtrack für beide Lesarten jedenfalls ist schon mal da.
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Foto: William Minke