Blond im Interview über Glamour, provokative Texte und die aktuelle Krise
Las Vegas Glamour. Diese Bezeichnung könnte vieles sein – und all das sind Blond. Bunt, unvorhersehbar, extravagant, vor allem aber ernsthaft talentiert. Im Interview erzählen Nina, Lotta und Johann, wie sie ihre Band selbst als „misshandelte Barbie Puppe“ bezeichnen ohne dabei einen negativen Gedanken zu verschwenden, warum es ihnen egal ist, wenn Leute sich von ihren Texten provoziert fühlen und wie sie als Künstler*innen mit der Corona-Krise umgehen.
Eure Musik ist ein Mix aus verschiedenen Indie-Untergenres, euer Auftreten dabei bunt, flippig und extravagant. Eurer Musik habt ihr einfach selber einen Namen gegeben: Las Vegas Glamour. Wollt ihr damit den Leuten die Möglichkeit vorwegnehmen, euch in eine Schublade zu stecken, in der ihr selber euch nicht seht?
Blond: Wir werden so oft gefragt, was für eine Musikrichtung wir machen. Die Menschen lieben Schubladen. Wir haben uns selber eine Schublade gebaut, die wir auch allen Musiker*innen anbieten, die nicht wissen, wie man diese Frage beantworten soll.
Ihr beschreibt Blond selbst als „verbeulten Kaugummi-Automat“ und „misshandelte Barbie Puppe“. Das sind eher negativ konnotierte Bezeichnungen. Was wollt ihr als Band sein?
Blond: Für uns selber sind das keine negativ konnotierten Bezeichnungen. Wir sehen uns als Kollektiv, das gemeinsam Kunst und Musik macht. Wenn man uns in all unseren Facetten als unterhaltsam empfindet, dann ist das schön.
In einem Interview habt ihr gesagt, man müsse sich extravagant präsentieren, damit Leute auf einen aufmerksam werden – Ist das eine Art Rebellion gegen toxische Männlichkeit und Gesellschaftsdruck?
Blond: Man muss sich nicht zwingend extravagant präsentieren, um Leute auf sich aufmerksam zu machen. Wir speziell machen das aber gern. Wir sehen uns nicht nur als Band, sondern als multimediales Projekt. Da gehört die optische Inszenierung auch dazu. Wenn das Leute als Rebellion gegen toxische Männlichkeit und Gesellschaftsdruck betrachten, dann finden wir das auch ok.
Auch auf Social Media präsentiert ihr euch ganz klar, z.B. indem ihr eure Ankündigungen rappt oder singt. Verfolgt ihr eine konkrete Strategie oder postet ihr, wie und was euch in den Sinn kommt?
Blond: Wir machen einfach das, worauf wir Lust haben. Wir haben keinen Businessplan oder eine langjährige Strategie, die wir verfolgen.
Blond – Thorsten (Musikvideo)
Mit toxischer Männlichkeit werdet ihr leider häufiger konfrontiert. In eurem Song „Thorsten“ behandelt ihr das Thema sehr deutlich und aussagekräftig. Wie geht ihr mit diesen Konfrontationen um? Wie erlebt vor allem auch Johann als Mann diese speziellen Situationen?
Blond: Wir versuchen die Person in der Situation, oder im Nachhinein über die Booking Agentur, auf ihr Verhalten anzusprechen. Ob sich dadurch etwas ändert, wissen wir nicht. Wenn sich jemand Frauen gegenüber wie ein Arschloch verhält, dann ist das allen Nicht-Arschlöchern, Männern und Frauen, also auch Johann, unangenehm. Unter toxischer Männlichkeit leiden die Menschen im Allgemeinen, nicht nur Frauen.
Achtet ihr bei Festivalanfragen auf die Frauenquote der Festival-Line-ups?
Blond: Nein, aber wir freuen uns natürlich, wenn wir im Backstage nicht nur auf Männer treffen. Dann sind auch die Aftershow-Partys besser.
Habt ihr schon mal Anfragen aus diesem Grund abgesagt oder nicht angenommen?
Blond: Nein. Bisher nicht.
Euer Album „Martini Sprite“ ist im Januar erschienen. Ihr singt darauf nur auf Deutsch. Wie kam es zu der Entscheidung?
Blond: Dass die alten Songtexte englisch waren, lag daran, dass wir uns noch nicht so richtig getraut haben, auf Deutsch zu singen. Mittlerweile wissen wir aber, dass unsere Inhalte so am besten rüberkommen und wir uns besser und klarer ausdrücken können. Es wird nicht mehr durch die Blume geredet und das war uns wichtig. Es steht aber nicht fest, dass wir für immer auf Deutsch singen. Festlegungen finden wir sowieso doof. Vielleicht bringen wir mal Musik auf Russisch raus. Wer weiß.
Mit dem Song „Es könnte grad nicht schöner sein“ sprecht ihr mit der Periode ein Thema an, das auch heute noch tabuisiert wird – Aus diesem Grund ist es nicht nur sehr gut, dass ihr dieses Thema ansprecht, sondern auch mutig. Auch das Video zum Song könnte, evtl. gerade für unsere männlichen Mitmenschen, sehr provokant erscheinen. Habt ihr negatives Feedback zu dem Song bekommen?
Blond: Ein Mann schrieb, dass er das Thema ekelhaft und unnötig findet. Ihm würde es doch auch nicht einfallen einen Song über Tripper zu machen. Daran erkennt man das Problem ganz gut: dieser Herr stellt die Monatsblutung mit einer Geschlechtskrankheit gleich.
Generell war das Feedback aber sehr schön, viele Menschen berichteten uns, dass wir ihnen aus der Seele sprechen würden. Am meisten haben wir uns darüber gefreut, dass sich auf unseren Konzerten zu diesem Song ein Mosh-Pit gebildet hat, in dem Männer und Frauen die Zeile „Bloody Storm in my Uterus“ mitgesungen haben.
Es könnte grad nicht schöner sein (Musikvideo)
Ihr habt vor kurzem den Podcast „Da muss man dabei gewesen sein“ gestartet. Wie kamt ihr auf die Idee, auf den Podcast-Zug aufzuspringen?
Blond: Lotta und Nina sprechen gern viel und lieben es, Geschichten zu erzählen. Jetzt, in Zeiten von Corona, in der Auftritte wegfallen, die beiden von Johann getrennt sind und sich Langeweile breitmacht, haben sie sich gedacht, jetzt wäre es gut, einen Podcast ins Leben zu rufen.
Wie beeinflusst euch die Corona-Krise und das damit verbundene zuhause bleiben? Wie geht ihr mit dieser Zeit um?
Blond: Wir machen einen Podcast, gehen unfassbar viel spazieren, puzzeln und schreiben neue Songs über das Podcasten, das Spazierengehen und Puzzeln. Am Anfang war es irgendwie etwas langweilig, aber mittlerweile weiß man sich zu beschäftigen.
Auch ihr habt ein Streaming-Konzert aus dem menschenleeren Atomino in Chemnitz gegeben. Wie fühlt es sich an, wenn ihr euch bewusstmacht, aus welchem Grund ihr da grade vor einem komplett leeren Club spielt?
Blond: Wir haben uns gefreut, ein Konzert spielen zu können. Gleichzeitig wussten wir, dass das vorerst unser letztes Konzert sein würde. Wir haben mit einem lachenden und einem weinenden Auge an unseren Instrumenten gestanden.
Gerade Kreativschaffende sind von der aktuellen Situation betroffen. Macht ihr euch Gedanken, wie es bei euch persönlich weitergeht?
Blond: Diese Situation ist für alle Menschen neu und niemand weiß, wie alles weitergeht. Viele Festivals und Konzerte fallen weg. Wir toben uns jetzt kreativ im Internet aus, haben einen Podcast ins Leben gerufen und hoffen, bald wieder gemeinsam proben zu können. Ein bedingungsloses Grundeinkommmen würde den Kulturschaffenden und möglicherweise allen Menschen helfen. Jetzt wäre die beste Zeit dafür, das mal auszuprobieren.
Foto: Anja Jurleit