Pressefoto Die Nerven
Live

100 Milliarden Dezibel: Die Nerven live in Münster

Im Oktober 2022 erschien das neueste, self-titled Album der Stuttgarter Noise-Rock Band Die Nerven. Es folgte im November die 100 Milliarden Dezibel Tour, die jedoch aus gesundheitlichen Gründen unterbrochen werden musste und erst im Februar weiter gehen konnte.

Der kleine Club Gleis 22, nahe des Münster Hauptbahnhofs, fasst 300 Gäste und ist an diesem Abend ausverkauft. Während er sich langsam mit Leuten füllt, sieht man immer wieder die drei Bandmitglieder der Nerven – Julian Knoth, Max Rieger und Kevin Kuhn – durch den Raum laufen ohne großes Aufsehen zu erregen. So gelassen, wie Die Nerven, sind auch ihre Fans.

Bevor die drei selbst die Bühne betreten, wird das Publikum vom Support der Nerven, Shitney Beers, eingestimmt. Die Singer-Songwriterin steht nur mit Gitarre, Pedal-Board und Mikro auf der Bühne und trägt ihre Mischung aus Pop, Folk und Punk vor, ohne Umschweife aber mit viel Humor. Zwischen den Songs rülpst sie ins Mikro und schafft sogar die Teile des Publikums, die sich nur bedingt für die Vorband interessieren, humorvoll zu überspielen. Sie ist selbst im Februar zu ihrem neuesten Album “This Is Pop” auf Tour.

Die Nerven – Ein Tag (Live)

Dann ist es Zeit für die Nerven. Passend zum Titelsong “Europa” des letzten Albums “Die Nerven” ertönt, während die drei auf die Bühne kommen, “Ode an die Freude” aus den Boxen. Und dann beginnt Max Rieger mit “Europa”. Es folgen weitere Songs vom neuen Album, wie “Ich sterbe jeden Tag in Deutschland” und “Keine Bewegung”. Als man sich schon fragt, ob die drei ohne ein Wort zu sagen einfach das Album durchspielen, begrüßt Kevin Kuhn, der natürlich barfuß hinterm Schlagzeug sitzt, das Publikum freudestrahlend.

Denn so ernst und laut und noisig ihre Musik auch ist, Die Nerven nehmen sich selbst mit Humor. Das merkt man, wenn Kevin Kuhn das Publikum dazu bring gleich zweimal Happy Birthday für den Mann am Merchstand zu singen. Einmal normal und einmal mit der Melodie nur auf einem Ton. Oder wenn Max Rieger sich über die starren Männer in der hintersten Reihe amüsiert, spontane Fragen aus dem Publikum beantwortet. Zwischendurch stellt er auch einfach seine Gitarre weg und setzt sich für ein paar Minuten hin, während seine Bandkollegen weiterspielen.

Keine Bewegung (Musikvideo)

“Ich hab die Erfahrung gemacht, dass Leute denken, wir sind Arschlöcher”, erklärt er auf die Frage aus dem Publikum, seit wann die Nerven denn mit den Zuschauern reden. Doch bei all dem bleibt die Musik natürlich nicht auf der Strecke. Zwischen neuen und alten Songs und den abwechselnden Gesängen von Julian Knoth und Max Rieger, driftet die Band immer wieder in ausgedehnte Instrumental-Einlagen ab, wobei die besondere Chemie innerhalb der Band deutlich wird.

Und die Musik der Nerven ist intensiv. Sie reicht von laut und schrill über atmosphärisch, ruhig und melancholisch. Sie reicht von Kevin Kuhns Geschrei, das aus den Boxen schallt zu Max Rieger, der nur ins Mikrofon flüstert. Wer auf ein Nerven-Konzert geht, bekommt die volle Bandbreite an Emotionen. Und für die alteingesessenen Rock-Fans, von denen es unter dem Nerven-Publikum viele geben dürfte, gibt es am Ende sogar noch eine kleine Überraschung. Als Zugabe beendet die Band das Konzert mit einem Cover von Motorheads “Ace of Spades”.

Foto: Lucia Berlanga
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