Pressefoto von Sultans Court
Interviews

Sultans Court im Interview über ihre Debüt-EP „From Afar“

Sultans Court gehören zu den aktuell spannendsten Bands aus Berlin. Vergangenen Freitag erschien mit der „From Afar“-EP das Debüt der Band, auf der sie gekonnt Indie, HipHop und elektronische Musik vermischen. Uns haben die Jungs ein paar Fragen zur EP beantwortet.

Letzte Woche ist eure Debüt-EP “From Afar” erschienen. Wie lange habt ihr daran gearbeitet und wie war der Entstehungsprozess?

Wir haben uns 2014 kennengelernt und es war von Anfang an klar, dass wir zusammen Musik machen müssen. Nach ein paar uninspirierenden Jamsessions im Proberaum haben wir uns schließlich Anfang 2016 in Konstantins WG-Zimmer getroffen und im Homestudio herumexperimentiert. Wir hatten kaum Equipment und nur einen alten, langsamen Laptop. Mit dem Setup haben wir dann die ersten Demos produziert. Produzieren mit Musiksoftware hat uns damals den kreativen Freiraum gegeben, den wir so lange gesucht hatten. Ohne auf eine komplette Band oder ein riesiges Studio angewiesen zu sein, konnten wir auf Einmal alles ausprobieren, uns von überall inspirieren lassen und jede Idee direkt in die Tat umsetzen. Anfang 2017 hatten wir dann zum ersten Mal eine Rohform der nun veröffentlichten EP fertig und spielten die ersten Konzerte. In dem Zusammenhang sind noch Leander und Markus in die Band dazu gestoßen, damit wir den Sound auf die Bühne bringen konnten, so wie wir uns das vorgestellt haben. 2018 lernten wir unser jetziges Label kennen und damit erschloss sich uns der Weg zur ersten Veröffentlichung. Im April 2019 kam dann die erste Single. Über die Jahre sind dann auch immer mehr Instrumente und Musikproduktions-Kenntnisse dazugekommen und wir haben die Songs konstant verbessert und verfeinert. Insgesamt haben wir also gut 3 Jahre an unserem Debut gearbeitet. Das war ein langes Stück Arbeit und uns fällt ein riesiger Stein vom Herzen, diese fünf Songs nun endlich in die Welt entlassen zu können.

Eure Musik wird oft aus eine Mischung aus Alt-J, Chet Faker oder Glass Animals beschrieben. Wen zählt ihr zu euren größten musikalischen Einflüssen?

Es ist schwer darauf eine angemessene Antwort zu finden. Für jeden von uns ist es etwas anders, es gibt aber grundsätzliche Überschneidungen. So sind Foals und Bonobo zum Beispiel bei dreien sehr hoch im Kurs, auch The Whitest Boy Alive und Tame Impala sind zweien sehr wichtig. Im Grunde ist es auch mittlerweile schwierig das auf einzelne Personen oder Personengruppen festzulegen. Oft sind es auch einzelne Tracks, die uns direkt dazu inspirieren zu schreiben weil sie uns einfach faszinieren oder wir etwas bestimmtes fühlen. Wenn Musik dich erreicht und du den inneren Analysten fallen lassen musst, weil es sich nicht angemessen anfühlt. Weil man manche Erfahrungen mit Musik nicht mit Worten beschreiben kann oder will. Dieses Gefühl treibt uns an.

Eure Single “Haunted” thematisiert “Toxic Masculinity”. Wieso war es euch als männliche Band wichtig dieses Thema aufzugreifen?

Als Männer ist unser Bezug zu dem Thema natürlich in der Regel passiv, da wir fast nie selbst Ziel von sexueller Belästigung sind. Wenn wir allerdings mit queeren oder weiblichen Freund*Innen unterwegs sind, bekommen wir es leider sehr oft mit. Wenn man mal anfängt nachzufragen ist es erschütternd, dass jede Frau mindestens eine Geschichte zu erzählen hat. Toxic Masculinity tritt aber auch unter Männern auf. Oftmals herrscht zum Beispiel ein großer Konkurrenzgedanke untereinander, der es einem gerade in der Jugend gerne mal schwer gemacht hat.

Sultans Court – Haunted

Wenn ihr euch schon mit Themen wie “Toxic Masculinity” auseinandersetzt, wie sehr beschäftigt ihr euch mit der Genderungleichheit in Festival Line-Ups und in der Musikindustrie?

Es fällt schon auf, dass die meisten Führungspositionen im Musikgeschäft von Männern besetzt sind. Weiterhin steht ja gerade die Frauenfeindlichkeit im Hip-Hop sehr im öffentlichen Diskurs. Das ist für uns ein spannendes Thema, da wir passioniertere Hip-Hop Hörer sind, aber es gibt da echt einige Textzeilen, die gar nicht klargehen.  Außerdem haben wir das Gefühl, dass weibliche Künstlerinnen in der Popmusik oft auf ihr Äußeres reduziert werden und die Musik nicht an erster Stelle steht. Natürlich gibt es Ausnahmen. Wir selbst hatten im Gegensatz dazu noch nie das Gefühl, dass unser Aussehen irgendeine Rolle dafür spielt, wie unsere Musik wahrgenommen wird. Wir hören selbst zum Beispiel auch viele weibliche und queere Künstler*Innen, nicht dass das jetzt was besonderes wäre, aber heutzutage zu sagen, es gäbe nicht genügend Künstler*Innen ist reinster Bullshit. Große Institutionen wie Festivals, Förderprogramme und Labels haben die Verantwortung solchen Künstler*Innen die Sichtbarkeit zu verschaffen, die sie sonst wo nicht bekommen würden. Ein positives Beispiel ist zum Beispiel das Fuchsbau Festival, das jedes Jahr stark darauf achtet, besonders viele Künstler*Innen in ihrem Line Up unterzubringen.

Generell positionieren sich aktuell immer mehr Musiker klar politisch und nehmen an öffentlichen Debatten teil. Wie seht ihr das Verhältnis von Politik und Musik und wie wichtig ist es für euch als Band Stellung zu beziehen?

Es fühlt sich gerade so an, als wenn wir uns an einem politischen und gesellschaftlichen Wendepunkt befinden. Viele Menschen fangen an Dinge zu hinterfragen und altbewährte, politische Prozesse stehen stark in der Kritik. Gleichzeitig stoßen populistische Themen und Politiker auf große Resonanz und die Gesellschaft spaltet sich in extreme Meinungen. Unabhängig davon ob man Musiker ist, glauben wir ist es wichtig, als Bürger eine klare Haltung zu haben und für die Ideale zu handeln, an die man glaubt. Das Gleiche überträgt sich dann natürlich auf die Haltung der Band. Wir sind gegen Rassismus, für Gleichberechtigung und hoffen, dass unsere Kinder diesen Planeten noch in seiner vollen Schönheit erleben können. Die Plattform die man als Musiker hat, kann hierbei sehr hilfreich sein, um Probleme anzusprechen und auf Dinge aufmerksam zu machen und es ist großartig, dass wir als Band diese Möglichkeit nutzen können. Nichtsdestotrotz sind wir primär kreative Menschen und keine Journalisten. Unsere Stärke liegt darin mit Klang zu arbeiten und das schönste an Musik ist für uns, dass sie einen auf einer emotionalen Ebene erreichen kann. Politische und gesellschaftliche Themen können in unsere Arbeit einfließen, an erster Stelle steht aber Musik zu schreiben, die uns (und dann hoffentlich auch die Hörer*Innen) emotional bewegt.

Gibt es ein gesellschaftliches oder politisches Thema das ihr unbedingt noch in einem Song thematisieren wollt?

Erst letztens sprachen wir über die Themen, die uns zur Zeit beschäftigen und bewegen. Das sind natürlich sehr viele verschiedene Dinge, aber nur um ein Beispiel zu nennen: in der Zeit vor der Europawahl haben wir beobachtet, wie viele Leute plötzlich mit Europa Pullis herumliefen. Auch waren plötzlich überall die Flaggen mit den gelben Sternen zu sehen. Wir können aber nicht so recht nachvollziehen, wie man sich allen ernstes mit einem Kontinent identifizieren will, der eine riesige Menge tote Menschen im Mittelmeer zu verantworten hat. Außerdem die Frage danach, in wie fern sich das überhaupt vom Patriotismus gegenüber des “eigenen” Landes unterscheidet. Wo setzt man da die Grenze? Auf der anderen Seite haben wir auch darüber gesprochen, dass wir in zukünftigen Songs gerne emotionaler und direkter werden wollen, da wir bisher fast nur über gesellschaftliche Themen geschrieben haben.

Sultans Court – Shutdown

In “Shutdown” beschäftigt ihr euch mit dem japanischen Phänomen der “Hikikomori”, Menschen die sich bewusst aus der Gesellschaft zurückziehen. In welchen Situationen würdet ihre euch am liebsten zurückziehen?

Das kann man natürlich nicht genauso vergleichen, bei Hikkikomori spricht man von einem Rückzug von mindestens einem Jahr. Manche Menschen ziehen sich für viele Jahre zurück. Für uns ist es zum Beispiel normal, wenn wir produzieren. Dann sind wir im Tunnel und schauen nicht mehr auf unsere Handys. Zu viel Rückzug kann aber auch einsam machen. Deswegen versuchen wir es ausgewogen zu halten und gehen oft auch am Abend gemeinsam auf Partys. Konstantin zieht sich zum Beispiel auch immer vor unseren Performances zurück. Er verkriecht sich dann in den Backstage und raucht alleine eine Zigarette.

Ihr legt viel Wert auf inhaltliche und visuelle Konzepte und greift die Themen eurer Songs auch immer in euren Videos auf. Wie wichtig ist es euch bei allen kreativen Prozessen involviert zu sein?

Heutzutage steht Musik häufig nicht mehr für sich selbst, sondern ist verwoben mit allen möglichen anderen Medien ob Film, Grafik oder sogar Installationen. Einmal hat Julius eine Musikperformance gesehen, bei der nebenbei Kung-Fu Kämpfer*Innen sich einen Kampf in der Menge geliefert haben; inhaltlich ging es um Gewalt. Julius machen diese anderen Disziplinen einfach auch wahnsinnig viel Spaß und er schreibt immer gerne die Konzepte. Oft bleibt Musik auf einer sehr abstrakten Ebene und dann können Visuals helfen ein Thema zu konkretisieren oder auch einfach eine Perfomance zu intensivieren. Wir sprechen ja mit unserer Musik schon die Ohren und den Tastsinn (Bass) an, warum nicht noch immersiver sein und die Augen stimulieren?

Jetzt da eure EP fertig ist, was können wir in der nächsten Zeit noch von euch erwarten?

Mitte September spielen wir unsere erste kleine Tour namens “Indiean Summer Tour” und sind unterwegs mit Belle Mt & Casey Lowry. Abgerundet wird das ganze mit einem Konzert auf einem Boot im Rahmen des Reeperbahn Festivals. Gegen Ende des Jahres spielen wir auf dem Nürnberg Pop Festival und haben schon ein Musikvideo zu No Man’s Land im Kasten, welches demnächst rauskommt. Parallel dazu schreiben wir an neuer Musik, da wir nächstes Jahr ein Album rausbringen wollen. Wenn alles nach Plan läuft kommt dieses Jahr noch die erste Singleauskopplung.

Sultans Court – Disembodied

(Foto: Kelvin Bügler)

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