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Die Machiavelli-Podcast-Tour und die Black Her- and His-Story

„Wir müssen quasi immer noch beweisen, dass uns rassistische Erfahrungen widerfahren.“

Aminata Touré, jüngste Vizepräsidentin eines Landtages und Megaloh, Berliner Rapper – zwei Personen, die erfolgreich sind und ansonsten scheinbar keine Schnittstellen in ihren Karrieren haben. Doch durch ihre Erfahrungen mit Rassismus werden die Lebensgeschichten der Schleswig-Holsteinerin und des Berliners verbunden. Heute kämpfen sie gemeinsam gegen den immer noch vorherrschenden Alltagsrassismus. Zwei Geschichten, zwei Wege – dem in der Gesellschaft verwurzelten Rassismus zu begegnen und zwei Moderatoren, die aufgrund ihrer weißen Hautfarbe nicht anders konnten als einfach nur zuzuhören – Eine Hörempfehlung für den Machiavelli-Live-Podcast zum Black History Month.

Machiavelli: Rap & Politik

Jan und Vassili, die beiden Journalisten, die den Podcast Machiavelli 2018 als Volontariatsprojekt ins Leben riefen, sitzen an diesem regnerischen Tag Anfang Februar auf der Bühne. Jan in Jogginganzug, Tennissocken und Sneakern, Vassili in Anzug, Lederschuhen und mit Klemmbrett – ein Bild, so typisch für die beiden, die etwas ins Leben riefen, das bis dahin mal so gar nicht typisch war. Denn Jan Kawelke und Vassili Golod bringen Politiker und Musiker an einen Tisch. Gregor Gysi und Maxim K.I.Z setzten sich in den vergangenen zwei Jahren ebenso mit aktuellen politischen Themen und Missständen auseinander wie Yassin und Martin Schulz oder Philipp Amthor und Goldroger. Mit ihrem Format „Machiavelli – Rap & Politik“ vermögen sie es Debatten aus zwei scheinbar unvereinbaren Welten zu verbinden – der ruppige, direkte Rap und die zähe, ausweichende Politik.

Die Machiavelli-Podcast-Tour macht nun Diskussionen, die die beiden Journalisten sonst in ihrem Kölner Machiavelli-Wohnzimmer führen, live erlebbar. Es sind Themen, die alle etwas angehen. Rassismus, Sexismus, Homophobie – Missstände, die eine Debatte erfordern und im Alltag eher entzweien, als vereinen. Jan und Vassili wollen genau das ändern und bringen Rapper, die ihr Vertrauen in die Politik verloren haben und Politiker, die Rap für vulgäres Zeug halten, an einem Tisch zusammen.

An diesem regnerischen Abend in Berlin sind es Aminata Touré und Megaloh – eine Politikerin und ein Rapper, die die gleiche Community bei ihrer Selbstermächtigung unterstützen, aber auf zwei ganz verschiedenen Bühnen spielen.

Black Her-Story

Aminata Touré ist Abgeordnete der Grünen im Schleswig-Holsteiner Landtag und mit 27 nicht nur eine der jüngsten Politikerinnen in Deutschland, sondern auch noch eine der wenigen Schwarzen, die ihrer Community auf der politischen Bühne Gehör verleihen. Geboren in Neumünster, Schleswig-Holstein, als Tochter zweier vor dem Putsch in Mali geflohenen Eltern, wächst Aminata die ersten fünf Lebensjahre in einer Flüchtlingsunterkunft auf, bevor die Familie endlich in eine eigene Wohnung ziehen kann. Sie realisiert in der Schule schnell, dass bei ihr zu Hause etwas anders ist als bei den anderen Kindern. Doch als Kind mit Migrationshintergrund begreift sie sich lange nicht. So berichtet sie: „Ich habe immer wenn ich den Fernseher angemacht habe, gedacht, es muss super scheiße sein einen Migrationshintergrund zu haben, bis ich realisiert habe, die meinen mich damit.“ Aminata will das nicht so stehen lassen. Bereits in jungen Jahren fängt sie an sich politisch zu engagieren, tritt in die Grüne Jugend ein und wird im Jahr 2017 mit nur 25 Jahren die jüngste afrodeutsche Vizepräsidentin eines Landtages.

Black His-Story

Auch Megaloh steht auf einer Bühne, doch nicht auf der politischen. Der in Frankfurt geborene Rapper mit nigerianischen und niederländischen Wurzeln hat einen anderen Weg gefunden, um für seine Community zu sprechen. Er verpackt das Erlebte, seine Erfahrungen mit Rassismus, die ihm auch in seiner eigenen Familie wiederfahren sind, in seine Texte. So wurde er eher unfreiwillig zum Sinnbild eines „politischen Künstlers“, denn eigentlich war es nie seine Intention „politisch“ zu werden. Doch die eigenen Erfahrungen „zwingen ihn dazu“. Man merkt Megaloh das Unverständnis und die Verletzung während seiner Ausführungen ebenso an, wie die Abneigung über seine eigenen Erfahrungen reden zu müssen: „Wirklich enge Leute, denen man eigentlich vertraut, stellen das infrage, wenn man denen davon erzählt, als würde man sich nur wichtigmachen wollen. (…) Wir müssen quasi immer noch beweisen, dass uns rassistische Erfahrungen wiederfahren.“ Er fordert, dass die Debatte in Deutschland endlich von der Ebene, ob etwas rassistisch ist, auf die Ebene gehoben wird, wie der Rassismus bekämpft werden kann. Megaloh schließt an diesem Abend mit einer Handlungsempfehlung für die Zukunft:

„Es muss erst einmal der Mund gehalten werden von der Mehrheitsgesellschaft und wirklich einfach nur zugehört werden, den Betroffenen zugehört werden.“

Aminata ist da voll bei „ihrem Bruder“, wie sie Megaloh nennt: „Die Menschen müssen das Bewusstsein entwickeln, dass es Schwarze in Deutschland auch vor 2015 gab.“ Um das zu erreichen, will sie sich für eine Reform des Bildungssystems einsetzen und die Debatte über Kolonialismus fest im Geschichtsunterricht verankern. Ein Schritt, der längst überfällig scheint, wenn man die Unwissenheit der Deutschen betrachtet.

Eine Hörempfehlung

Rassismus und Selbstermächtigung auf zwei Bühnen – musikalisch und politisch. Aminata und Megaloh haben das gleiche Ziel, gehen jedoch einen anderen Weg. Megaloh den direkten über seine Texte und Songs, Aminata über die zähe Politik. Sie ergänzen sich.

Der Machiavelli-Live-Podcast an diesem regnerischen Abend ist erfrischend objektiv, erfrischend ehrlich und unglaublich entwaffnend für alle Zuhörer, die glaubten, dass sie noch nicht von rassistischen Strukturen profitiert haben. Denn eins machen die beiden Gäste auf der Bühne schnell deutlich: „Weiße profitieren immer noch von einem System, das auf Rassismus aufbaut.“

Machiavelli – Black Her- & Hist-Story (mit Aminata Touré & Megaloh)

Foto: Nils vom Lande

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