Yung Kafa & Kücük Efendi setzen mit ihrem Album „Chef“ neue Deutschrap-Maßstäbe
Mit ihrem neuen Album „Chef“ schlagen Yung Kafa & Kücük Efendi den Bogen zwischen Deutschrap-Klischees und neuen Beats, zwischen Luxuskarossen und innerer Leere. Damit könnte das Duo den Deutschrap neu erfinden.
Die Coronapandemie hat die Welt fest im Griff. Doch Yung Kafa und Kücük Efendi spielen im ausverkauften Wembleystadion und im Museum of Modern Art in New York. Wie das möglich war, während der Rest der Musikwelt zu Stillstand gezwungen war? Das Deutschrap-Duo spielt seine Konzerte in virtuellen Welten.
Yung Kafa und Kücük Efendi sind wohl das Spannendste, aber auch Mysteriöseste was die Deutschrap-Szene in den vergangenen Jahren geboten hat. Seit 2019 released das Duo eigene Musik. Mit „Chef“ haben die beiden Rapper jetzt ihr Debütalbum rausgebracht. Ihre Identität haben sie jedoch bis heute nicht offengelegt. Widererkennungswert haben die beiden Musiker trotzdem: Durch den unverwechselbaren Sound und ihre Avatare mit den verpixelten Gesichtern.
Was bei Sido, Cro und Co. die Maske ist, ist bei Yung Kafa und Kücük Efendi die virtuelle Welt, hinter der sie sich verstecken. Auf Designerklamotten und Statussymbole verzichten die beiden dennoch nicht – weder in ihren Songtexten noch auf ihren Konzerten. Diese werden dann von den Avataren getragen. Da sind die beiden Paradiesvögel des Deutschraps, dann doch wieder ganz klassisch.
Weit weniger klassisch ist die Musik der beiden: Eingängige Trapbeats und ein Sound, der geschwängert von Eurodance und R´n`B wurde, untermalt die mal mumbelnde, mal säuselnde Kopfstimme des Duos. Immer wieder greifen sie zu einer einmaligen Kunstsprache aus deutschen, türkischen und englischen Vokabeln und erzeugen eine Trance bei den Hörer:innen, die sie durch das Album gleiten lassen.
Yung Kafa & Kücük Efendi – Ohnmacht
Identität und Herkunft sind zwei Themen, die Yung Kafa und Kücük Efendi, seit Jahren beschäftigen. Sie kokettieren mit ihrer Anonymität. Das wird vor allem in Tracks wie „Nirgendwo Daheim“ deutlich. Immer wieder wechselt das Tempo auf dem Album, Songübergänge verschwinden dennoch fast gänzlich – bis die ersten Töne von „Wozu“ anspielen. Der Gitarrensound des Songs untermalt nicht nur den musikalischen Wechsel, sondern auch die inhaltliche Kehrtwende im Album. Fortan rappen Yung Kafa und Kücük Efendi nicht mehr über Luxusuren, Designermode und Sportwagen, sondern über die innere Leere, Liebeskummer und das Gefühl der Heimatlosigkeit.
In „Ohnmacht“ – dem Höhepunkt des Albums – lassen die Gitarrenriffs einen Sound der Red Hot Chili Peppers anmuten. Ein klarer Bruch zu den auf Synthesizern basierten Beats der ersten Songs „Präsenz“ und „Frech“, die eher nach Yung Hurn als alten Rocklegenden klingen. Ohrwürmer sind aber vom Anfang des Albums bis zum Ende garantiert.
Klar ist, mit diesem Album könnten Yung Kafa und Kücük Efendi den Deutschrap revolutionieren. Wer die Kunst des Duos aber gänzlich erfassen möchte, sollte die Musikvideos schauen. Denn vor allem auf der visuellen Ebene setzt das Rapduo mit „Chef“ neue Maßstäbe.
Foto: Jonah Sinan Cetinel