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Zwischen Melancholie und Moshpit: Kummer live in Münster

Mit seiner „Bye Bye Kummer“ Tour spielt der Kraftklub-Frontmann Felix Kummer gerade die Abschiedstournee seines Soloprojekts Kummer, bevor er sich dann wieder seiner Band Kraftklub widmet. Am vergangenen Donnerstag ist er ein letztes Mal als Kummer in Münster aufgetreten und wir waren dabei!

„Gestern ging die Tour weiter, es war wunderschön“ lässt Kummer seine 330.000 Fans bei Instagram wissen. Knapp 1.500 davon erwarten ihn nun im Münsteraner Skaters Palace. Der Raum ist vollgestopft mit freudigen und leicht schwitzigen Gesichtern. Vier Mal musste das Konzert, dessen Tickets direkt restlos ausverkauft waren, pandemiebedingt verschoben werden. Heute, knapp drei Jahre nach dem Verkaufsstart (oder erst recht jetzt?), sind die Tickets heißbegehrt.

Kummers kleine Schwestern machen Randale in der Stadt

Zum Konzertauftakt bringt die Chemnitzer Band Blond, bestehend aus dem Trio Nina und Lotta Kummer und Johan Bonitz, Bewegung in die Menge. Mit glitzernd-bunten Outfits und mindestens genauso bunten Dancemoves übertragen sie ihre Energie auf das Publikum und bringen die Leute mit bunten Beats in Stimmung. Zu ihren schillernden Outfits gesellen sich Songtexte, die von weniger glamourösen Situationen des Alltags handeln und lassen nach knapp 30 Minuten die Zuschauenden mit Zeilen über Menstruation, der Suche nach einem Therapieplatz und einer ordentlichen Portion Feminismus zurück. Johan verlässt seinen Synthesizer und auch Nina und Lotta geben ihren Platz auf der Bühne frei für ihren großen Bruder: Felix Kummer. Das Deckenlicht geht an und zum Gesang von Lana Del Ray und Co gehen noch einige Biere über die Theke, während auf der Bühne der leicht hektische Umbau startet.

Alle Jahre wieder, alle Hände hoch Münster!

Foto: Maren Mußenbrock

Das Skaters Palace ist „klein und kuschelig“ sagt Konzertbesucherin Hannah und freut sich darüber, dass trotz anhaltenden Erfolgs keine Hochverlegung in die benachbarte Halle Münsterland diese intime Atmosphäre zerstört hat. Der Rest des Abends gehört Kummer: Weiße Sneaker, weißes Shirt, Jeans – ohne Glitzer, ohne Schnörkel, ohne Band. Für seine Solo-Tour hat Kummer Schlagzeug und Gitarre gegen die Beats von BLVTH getauscht. Er teilt sich die Bühne nur mit einem meterhohen drehenden Monolith aus Leuchtröhren. Auch allein versteht er es, das Publikum zu begeistern. Mit seinem ersten Song „9010“, seiner persönlichen Widmung an seine Heimat Chemnitz, bringt er die Menge aus dem Stand in einen pulsierenden Zustand. Die Leute haben auf ihn gewartet, sind textsicher und schmettern ihm seine Zeilen entgegen.

Kummer spielt sich trotz großer Tourpause mit Routine durch seine Setlist und bedient sich dabei überwiegend an den Liedern von „KIOX“, seinem Album, das er zu Pandemiebeginn veröffentlichte. Doch auch Abstecher dürfen im Set nicht fehlen. So werden „500k“ und der Kraftklub-Dauerbrenner „Randale“ performt. Auch „36 Grad“, ein Lied, das Kummer unter seinem Alias Carsten Chemnitz mit Zugezogen Maskulin 2019 aufgenommen hat, wird angespielt. Für den Hit „Aber nein“ formieren sich statt LGoony und Keke Nina und Lotta kurzzeitig mit Felix zum Kummer-Trio auf der Bühne, das die Menge weiter anheizt. Wo gerade noch Leute stehen, entstehen Löcher in der Menge, die sich zum Refrain wild füllen. Der Halogen-Monolith dreht sich und erzeugt mal flackerndes Blitzen wie am Berliner U-Bahnhof, dann bedrohlich rotes Leuchten, während Kummer vom sinkenden Schiff und dem Geruch von Pisse und Tod singt.

„Für immer 96“ – zwischen cringe und cute

Der Abend wechselt von wild zu wehmütig, von Anarchie zu Andacht. Kummer verliert sich zwischen den Liedern in spontanen Ansagen und Erinnerungen an Münster. Er freut sich mit den Worten „ich kann die Sommersprossen auf euren Gesichtern sehen“ über die Nähe zum Publikum und erzählt von vergangenen Konzerten, zu denen er im kleinen Nebenraum, der nun als Merchstand für seine Tour dient, mit Kraftklub als Vorband auf der Bühne gestanden und Crowdsurfing gemacht hat. Felix Kummer, der sympathische nahbare Typ von nebenan, ändert den Refrain von „26“, der von seinem vor Jahren verstorbenen Freund handelt, zum Gedenken an die Queen spontan auf „für immer 96“ und erntet vom Publikum gemischte Reaktionen, lässt es aber spätestens bei „Wie viel ist dein Outfit wert?“ wieder begeistert mitrappen und nicken.

Foto: Maren Mußenbrock

Bye Bye Kummer

Kummer, der 2019 mit seinem Debütalbum mühelos die Chartspitze erobert, erkundigt sich zwischen seinen Liedern, ob es allen im Publikum gut geht und löst mit seinen Texten anschließend Stimmungen aus, die diesen Zustand zumindest emotional direkt wieder verwerfen. Feuchte Augen und Tränen auf schweißnassen Gesichtern sind beim letzten Lied „Der Rest meines Lebens“ zu sehen, während ein paar Fans die knappen zehn Meter von Mischpult zur Bühne zum Crowdsurfen nutzen und mit Kummer einschlagen. Bevor Max Raabes unverwechselbare Stimme ein letztes Mal vom Band spielt, bevor das Licht ausgeht und Kummer von der Bühne geht.

Er hinterlässt nachdenkliche, aber auch euphorisierte Fans mit schweißnassen Haarsträhnen im Gesicht und beschlagenen Brillen auf den Nasen. Für Münster heißt es „bye bye Kummer“. Sein erstes und gleichzeitig letztes Solo-Konzert in Münster geht zu Ende, bevor Felix am 22. November dieses Jahres wieder als festes Mitglied von Kraftklub der Stadt einen Besuch abstattet.

Titelfoto: Philipp Gladsome
Text: Maren Mußenbrock
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