Von Wegen Lisbeth live in Berlin
Interviews

Von Wegen Lisbeth im Interview über Tourverschiebungen und ihr neues Livealbum

Corona – für die Musikbranche das Unwort des Jahres 2020. Der Festival-Sommer ist abgesagt, Bands und Artists müssen ihre Touren verschieben. So erging es auch Von Wegen Lisbeth, die ihre BRITZ-CALIFORNIA-Tour vom Oktober in den April 2021 schieben mussten. Doch die Jungs haben ein Ass im Ärmel und bringen Licht in diese dunkle Zeit: Ende Mai veröffentlichen sie ihr erstes Live-Album mit Aufnahmen des Konzerts in der Berliner Columbiahalle aus dem letzten Herbst. Yeah!

Wir haben vor ein paar Wochen mit Matze telefoniert, ihn gefragt wie’s ihm & der Band so geht, was Corona mit ihnen macht und wie es zum Livealbum gekommen ist.

Die Musikbranche gerät durch Corona gerade, wie so einige anderen Branchen auch, ins Stocken. Heißt für euch auch leider, dass ihr die Tour ins nächste Jahr verschieben musstet. Das ist natürlich ein harter Schlag für jeden Artist und generell einfach für alle Leute, die mit daran arbeiten. Wie geht’s euch derzeit? Kommt ihr klar? Wenn du überhaupt für die ganze Band sprechen kannst?

Matze: Also wir kommen auf jeden Fall klar. Es ist halt einfach ein bisschen ärgerlich und schade. Wir dürfen halt das ganze Jahr kein Konzert spielen, kein einziges Festival und das ist an sich halt kacke, weil wir total Bock darauf haben. Anfang Mai würden die ersten Festivals losgehen Da hätte man jetzt schon richtig, richtig Lust drauf, aber das geht halt einfach nicht. Ist schon blöd.

Hast du denn für dich einen Alltags-Rhythmus gefunden bzw. brauchst du überhaupt einen? Oder lebst du quasi einfach in den Tag hinein?

Matze: Ich glaube, es würde mir ganz gut tun so einen bisschen geregelteren Alltag zu haben als gerade. (lacht) Ich neige dazu in so ein Loch zu fallen, wobei eigentlich geht es. Ich bin viel im Studio gerade und viel alleine da und das ist ja das einzig Positive, man hat viel Zeit neue Musik zu schreiben. Das ist schon ganz okay.

Genau, das wäre auch meine nächste Frage, ihr arbeitet ja an neuer Musik, geht das gerade überhaupt? Erstmal auf die Umstände entsprechend bezogen, seht ihr euch denn in Real Life auch oder macht ihr Skype/Zoom Sessions? weil man sich ja gar nicht in Real Life sehen kann bzw. nur eingeschränkt? Wie macht ihr das?

Matze: Ja, wir haben Kontakt, wir zoomen. Wir sehen uns gerade nicht so richtig, wir wollen jetzt mal abwarten, was die nächsten Lockerungen angeht und was Angie uns erlaubt, ob man vielleicht irgendwann wieder anfangen darf zu proben zusammen. Das wäre schon sehr praktisch.  Ansonsten … ich meine, die Texte mache ich ja eh alleine und dann kann ich das gerade ganz gut gerade machen.

Ich habe mich auch gefragt, fühlt man sich dadurch, dass jetzt alles auf Standby gesetzt wird vielleicht auch in einer Art und Weise als Künstler dazu “verpflichtet“ etwas Neues zu erschaffen? Weil man vielleicht irgendwie einen Druck verspürt, denn die Leute draußen denken „Och, jetzt hat er/sie ja Zeit, dann kann mal an einem neuen Album geschrieben werden.“ Ist das bei dir der Fall? Hast du da schon mal so drüber nachgedacht?

Matze: Jaa (lacht), so’n bisschen nervt das schon ehrlich gesagt. Es gibt halt so einen Selbstoptimierungszwang. Zumindest so das, was man bei Social Media mitbekommt. Dass alle Leute so „Boah, jetzt kann ich endlich mal das und das machen und endlich mal das und das Buch lesen und das und das Brot backen“- drauf sind. Chill doch einfach auf der Couch und guck 24 Stunden Netflix, das ist auch okay. Aber bei uns ist es so, dass ich den Druck jetzt nicht wirklich spüre, dass ich jetzt extrem produktiv sein müsste. Ich mach’s einfach gerade sehr gerne, weil ich mir denke, was soll ich denn sonst machen? Mir ist so langweilig, dann kann ich doch auch irgendwie neue Musik machen.

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Wird dann nicht auch der Output im Endeffekt ganz anders beeinflusst als die Sachen, die ihr vorher gemacht habt? Also meinst du, dass durch die momentane Situation die Texte und auch Musik, die ihr angeht im Endeffekt ein ganz anderes Thema/Feeling angehen/ einen anderen Touch bekommen, als wenn jetzt kein Corona wäre und ihr jetzt – ich sage mal – “normal” daran arbeiten würdet? Ihr arbeitet jetzt ja gerade unter ganz anderen Umständen.

Matze: Wahrscheinlich unterbewusst irgendwie schon, weil man ja nichts erlebt. (lacht) Und meine Texte schon so sehr alltagsmäßig sind und gerade passiert einfach überhaupt nichts. Das heißt, klar wird es unterbewusst vielleicht irgendwie miteinfließen, aber ich habe mich jetzt nicht hingesetzt und gesagt, okay, jetzt lass mal einen Corona-Song machen oder so. Wir haben am Anfang sogar die Idee gehabt einen zu machen, der war sogar ganz funny, aber dann war uns das Thema doch zu heikel. Dann haben wir uns dagegen entschieden das zu machen. Das war im Nachhinein auch die richtige Entscheidung, ich bin ganz froh, dass wir den nicht rausgebracht haben.

Als hättet ihr es geahnt, dass die Leute da draußen es genau jetzt benötigen, veröffentlicht ihr euer Live-Album Ende Mai. Als Schmankerl und Einstimmung gab es jetzt schon Tour-Tagebuch Episoden auf YouTube sehen. Wird man da nicht auch selber krass wehmütig?

Matze: Ja, schon, schon sehr.  Es ist schon hart auf jeden Fall. Wenn man den Post bei Insta macht und dann das Foto raussuchen will und guckt so durch den letzten Sommer und die Festivals und man denkt dann nur „Boah, das wird alles dieses Jahr nicht passieren.“ Das ist schon sehr schade.

Auf der anderen Seite ist es natürlich auch super schön zu sehen, was im letzten Jahr passiert ist. Glaubst du denn, dass nach Corona die Live-Branche bei vielen Leuten da draußen noch mal einen ganz anderen Stellenwert bekommen wird, die Leute es quasi noch mehr zu schätzen wissen?

Matze: Das wäre natürlich schön, aber es kann auch andersherum sein, dass die Leute sich nur sehr, sehr zaghaft daran gewöhnen wollen auf Konzerte zu gehen, weil diese Corona-Angst einfach noch sehr lange bestehen bleibt so lange es keinen Impfstoff gibt. Aber deine Variante wäre natürlich die schönere. (lacht)

Und meinst du, dass sich generell in der Musikbranche etwas ändern wird bzw. irgendwelche Folgen mit sich bringt?

Matze: Auf jeden Fall und leider keine guten, glaube ich. Ich weiß halt nicht, ganz viele kleine Festivals werden sicherlich massiv darunter leiden und auch ganz viele kleine Clubs in Berlin. Also ich weiß nicht wie das funktionieren soll ohne massive staatliche Hilfen. Wenn so ein kleiner Club, der nur von Bar-Einnahmen lebt jetzt seit Monaten keinen einzigen Cent Umsatz macht. Das wäre schon sehr, sehr schade für die ganze Konzertlandschaft hier auf jeden Fall. Auch Konzerlocations leiden gerade sehr, sehr stark darunter und Festivals sowieso. Ich hoffe, dass die alle im nächsten Jahr wieder am Start sind. Das weiß man alles gerade nicht so richtig.

Wenn wir nochmal auf euer Live-Album zurückkommen. Hattet ihr ursprünglich geplant, das Album auch genau zu diesem jetzigen Zeitpunkt rauszubringen oder habt ihr die Pläne jetzt entsprechend umgeworfen?

Matze: Wir hatten eigentlich gar keine Pläne das Album irgendwann rauszubringen. Es war einfach nur so gedacht, dass wir das Konzert einfach mitschneiden und dann haben wir ein cooles Video für YouTube. Das war jetzt nie so eine konkrete Idee ein Live-Album zu machen. Dann irgendwann fanden wir das ganze Ding aber doch so cool, dass wir es doch als ganze Platte rausbringen wollten. Aber dass es jetzt kommt, war purer Zufall. Das hat sich dann einfach so ergeben.

Was sind denn eure konkreten Pläne, wenn jetzt Corona endlich vorbei ist?

Matze: Spielen, spielen, spielen. Wir müssen dann ja ganz viel nachholen. Also wir haben auf jeden Fall Bock dann richtig viel zu spielen sobald wir wieder dürfen, das fehlt uns schon sehr. Jaaa … das werden wir probieren zu tun. (lacht)

Auf was freust du dich persönlich nach der jetzigen schwierigen Zeit am meisten?

Matze: Boah, so wieder ganz normal in eine Kneipe gehen und son richtig stabiler (lacht) Wäre schon was schönes. Das geht ja gerade nicht und alleine trinken macht auch keinen Spaß. Das mache ich auch nicht. Doch, das wäre schon schön.

Tourtagebuch (Leipzig)

 

Foto: Nils Lucas

Interview: Liv Carina Korth

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