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Interviews

Shelter Boy im Interview über seine EP “Rock’n’Roll Saved My Childhood (lel)”

Als Jugendlicher in der Provinz investiert man seine Zeit gerne in sinnlose, mal mehr, mal weniger illegale Dinge. Der Dresdner Musiker Shelter Boy hat das eventuell auch gemacht. Gleichzeitig hat er die Zeit aber mehr als sinnvoll genutzt und im Alter von 13 Jahren angefangen Musik zu machen. Am 24. Januar erscheint seine zweite EP “Rock’n’Roll Saved My Childhood (lel)”. Wir haben Simon Graupner, wie der Schutz suchende Junge im wahren Leben heißt, in Berlin zum Interview getroffen.

Nina: Du sagst selber, dass du aus einer sehr provinziellen Ecke Sachsens kommst. Welchen Einfluss hat deine Herkunft auf dich als Person?

Shelter Boy: Man hat auf jeden Fall viel Langeweile, weswegen man viele dumme Sachen macht. Gleichzeitig wollte man sich damit irgendwie stärker abgrenzen, weil es zu viele von den anderen gab. Ich hab ja dann meine Band Still Trees gehabt, wo ich Gleichgesinnte hatte. Aber vor allem in der Schule war ich mit dem, was mich interessiert hat immer eher alleine.

Nina: Waren Langeweile und Abgrenzung auch der Grund, warum du mit der Musik angefangen hast?

Shelter Boy: Ne, da hatte ich schon einfach Bock drauf. Ich hab in der Grundschule immer die Musik gehört, die mein Bruder gehört hat, das war vor allem “The College Dropout” und “Graduation” von Kanye West und damit verbinde ich immer noch mega viel. Über meinen Vater habe ich dann irgendwann die Beatles kennengelernt und das hat mich übelst geflasht. Und sowas wollte ich halt damals auch. Und dann kam die Indie-Musik.. Arctic Monkeys, Strokes und so.

Nina: Wie alt warst du da?

Shelter Boy: Ich war 13 als ich das erste Foals-Album gehört habe. Meine Kumpels meinten: “Hier, das wollen wir mal covern” und ich war so: “Alter, was ist das denn? Was machen die denn da?” Wenn man zum ersten mal sowas hört denkt man sich: “Was ist das denn für Musik?”, aber dann hab ich’s langsam gecheckt.

Nina: Du hast deine Band Still Trees, in der du seit über 10 Jahren gespielt hast, gerade schon angesprochen. Was hat dich dazu bewegt jetzt solo Musik zu machen?

Shelter Boy: Vor allem, dass man Sachen einfach machen kann und nicht immer alles mit allen absprechen muss. Außerdem habe ich irgendwann angefangen am Laptop zu produzieren und konnte einfach genau das machen und umsetzen, was ich wollte. Wenn da noch vier andere Leute involviert sind, geht das halt nicht. Deswegen war das jetzt für mich der Weg und der fühlt sich auch sehr gut an.

Nina: Die Prozesse gehen jetzt wahrscheinlich auch einfach viel schneller, oder?

Shelter Boy: Ja und nein. Wenn man ‘nen guten Grind hat, dann geht’s auf jeden Fall schneller, das stimmt schon.

Use Me

Nina: Willst du weiterhin alleine Musik machen, oder irgendwann zurück in die Band-Konstellation?

Shelter Boy: Es wird schon erstmal dabei bleiben. Ich hätte aber Lust mal mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten. Ein kleiner Traum wäre es auch, mal was mit Hip-Hop zu machen. Aber trotzdem glaube ich, dass ich alleine eher der Künstler sein kann, der ich sein will.

Nina: Mit welchen Künstlern würdest du denn gern mal zusammenarbeiten wollen?

Shelter Boy: Gute Frage.. Ich hab letztens Fatoni kennengelernt. Der ist auch riesiger Beatles-Fan, da habe ich mich sehr verbunden gefühlt. So eine Zusammenarbeit könnte ich mir gut vorstellen, weil ich glaube, so ‘ne jazzige Gitarre kann super gut in einem Oldschool-Beat rumschwimmen. Aber sonst hoffe ich, dass sich einfach alles irgendwann ergibt. Wenn es grooved, dann grooved es!

Nina: Dann bin ich gespannt, was da noch so kommt! Du würdest gern was in Richtung Hip-Hop machen, momentan wird deine Musik aber irgendwo zwischen Indie-Rock und Dreampop eingeordnet und zwischenzeitlich wirst du auch als der deutsche Mac Demarco bezeichnet. Was hältst du davon, dass Leute deine Musik kategorisieren?

Shelter Boy: Das macht ja jeder immer irgendwie. Deswegen ist das vollkommen ok für mich. Ich kann die Mac Demarco-Referenz vollkommen nachvollziehen, wobei die auch echt nur wegen der Gitarrensounds da ist und er hat das definitiv groß gemacht. Aber mittlerweile gibt’s in dem Genre so viele Künstler, die damit arbeiten. Trotzdem ist der Vergleich für mich voll in Ordnung. Und meine Musik ist ja auch irgendwas zwischen Indie-Rock und Dreampop aber ich glaube, es ist auch ein bisschen beatmäßig teilweise.

Nina: Versuchst du denn selber eine bestimmte Richtung zu verfolgen, oder machst du einfach worauf du gerade Bock hast?

Shelter Boy: Ne, mein neuester Track “Pale Ocean Child” ist wieder eine komplett andere Nummer. Eigentlich ist es auch langfristig mein Ziel, ganz viel verschiedenen Kram zu machen. Wie bei Bombay Bicycle Club, da klingt einfach jedes Album anders. Das find ich richtig schön. Ich denke, wenn man seinen Sound hat, dann ist der überall mit drin, aber ich guck einfach gerne in alle Richtungen.

Nina: Was denkst du denn selber, was die Musik von Shelter Boy auszeichnet in einem Genre, das gerade von relativ vielen Künstlern bedient wird?

Shelter Boy: Ich glaube, dass ich ganz gute Hooks schreibe. Ich konsumiere ja selber wie ein Bekloppter Musik und gerade bei diesem ganzen Bedroom Pop fehlt mir oft eine gute Hook. Ich mag trotzdem diese Pop-Strukturen. Das find ich gut und ich glaube, dass ich auf sowas Wert lege, könnte mich schon abgrenzen.

Nina: Deine neue EP erscheint auf deinem eigenen Label ZG500 Records. Warum ist es dir wichtig, deine Musik selber zu vertreiben?

Shelter Boy: Für die Art von Musik funktioniert das glaube ich einfach ganz gut, wenn man viel Eigeninitiative zeigt und es gibt einem einfach die Freiheiten, die man selber haben möchte, obwohl es auch manchmal anstrengender wird dadurch.

Nina: Klar, du hast dadurch ja auch einfach mehr zu tun.

Shelter Boy: Absolut!

Nina: Bist du momentan der einzige Künstler bei ZG500 Records?

Shelter Boy: Ja. Aber ich bin ja der A&R (lacht) und habe vor, dieses Jahr Künstler zu signen und davor bin ich ein bisschen aufgeregt. Solange es nur um mich selber geht, ist ja alles egal, aber wenn man dann Verantwortung für andere Künstler übernimmt, ist das schon was anderes. Aber ich freue mich darauf, weil ich sehr viele talentierte Freunde habe und denen würde ich gerne die Möglichkeit geben, mal eine Platte rauszubringen. Das wär echt cool, wenn das klappt!

Nina: Das heißt, du musst gar nicht aktiv nach Künstlern suchen?

Shelter Boy: Genau, mein Keyboarder schreibt zum Beispiel super gute Songs und und meine Mitbewohnerin hat eine großartige Band. Ich muss eigentlich nur warten, bis die soweit sind und dann würde ich mich da gerne mit reinwerfen. Ich gucke aber auch einfach viel, was so passiert in der Musiklandschaft. Ich bin da sehr interessiert.

Pale Ocean Child

Nina: Apropos Musiklandschaft. Ich habe vor kurzem einen Gig von dir auf einer Musikveranstaltung in Berlin gesehen…

Shelter Boy: Ah… (lacht)

Nina: Du hast da die ein oder andere relativ klare Ansage Richtung Veranstalter und Besucher gemacht. Wie stehst du der deutschen Musikszene, beziehungsweise dem, was im Hintergrund passiert generell gegenüber?

Shelter Boy: Also, für mich war diese Veranstaltung eben nicht die deutsche Musikszene. Das waren ganz viele Leute, die sich einfach wichtig fühlen und das geht mir auf die Nerven. Auch die Art und Weise, wie die Veranstalter mit den Künstlern umgegangen sind, war einfach nicht cool. Und dann werde ich halt pissig.

Nina: Also ist es dir auch wichtig, deinen Unmut öffentlich deutlich zu machen in solchen Fällen?

Shelter Boy: Naja, ich weiß nicht, ob das immer sein muss. Aber eine Sache, die ich einfach nicht mache, ist mich für irgendwen zu verbiegen. Und ich lasse mir keine Scheiße erzählen. Dann ist es auch egal, wie wichtig die Person ist oder welchen Einfluss sie auf mich haben könnte.

Nina: Gab’s an dem Abend irgendwelche Konsequenzen?

Shelter Boy: Naja, dass es wahrscheinlich der beste Auftritt an dem Tag war (lacht). Das war die einzige Konsequenz.

Nina: Fand ich auch! Ich glaube, man wird im Musikbusiness, wie auch in anderen Bereichen, generell öfter mal unfair behandelt und gerade was Gendergleichheit angeht ist man da ja leider noch immer ziemlich weit hinten. Gibt es Situationen, in denen du merkst, dass du als männlicher, weißer Musiker privilegierter behandelt wirst?

Shelter Boy: Also, ich sehe, dass es das Problem generell gibt. Auch auf Festivals, wo teilweise im Line-Up nicht eine weibliche Künstlerin dabei war im letzten Jahr. Aber was mich betrifft, würde mir keine Situation einfallen, wo das irgendwie passiert ist. Aber toxische Männlichkeit hat mich auch einfach schon oft ganz schön verunsichert. Und das fucked mich auch selber ab. Ich hatte vorher ja auch zwei Frauen in Band. Und da war es definitiv ein paar Mal der Fall, dass da mal ein Techniker gesagt hat: “Ach komm, Kleine, ich mach das mal für dich”. Und das ist ein Ding, das merke ich in der Branche ganz stark.

Nina: Hast du in solchen Fällen etwas gesagt?

Shelter Boy: Ja, auf jeden Fall! Dazu haben auch Blond einen super guten Track rausgehauen. “Thorsten” heißt der und der beschreibt das ganze sehr gut.

Nina: Auf jeden Fall ein Song, der wahrscheinlich vielen aus dem Herzen spricht! Deine Musik klingt so mühelos und wird als “emotional flexibel” beschrieben. Wie sieht der Entstehungsprozess bei deinen Songs aus? Auch mühelos und aus dem Gefühl heraus?

Shelter Boy: Nur aus dem Gefühl heraus, aber sehr mühsam. Wenn ich was auf der Gitarre schreibe, dann geht’s meistens sehr schnell, das passiert aber nicht ganz so oft. Aber das zuhause auszuproduzieren kostet mich unfassbar viel Kraft.

Nina: Weil du so perfektionistisch bist?

Shelter Boy: Ich weiß nicht mal ob’s Perfektionismus ist. Das glaub ich nicht mal, weil ich es auch gerne mag, wenn mal was Schiefes dabei ist. Das kann, finde ich, sehr viel ausdrücken. Aber bis es für mich stimmig ist, das dauert sehr lange. Deswegen ist es gar nicht so mühelos. Aber ich kann nur nach Emotionen Songs scheiben.

Nina: Also hat es bei dir auch viel mit Ausprobieren zu tun?

Shelter Boy: Ja, ganz viel. Viel passiert auch über’s Hören. Wenn ich eine bestimmte Art von Musik sehr viel höre, hat das auf jeden Fall Einfluss.

Let em Go

Nina: Gibt’s einen bestimmten musikalischen Einfluss für deine neue EP?

Shelter Boy: Ne, das nicht. Aber ich glaube, dass zum ersten mal viele Richtungen zusammen gekommen sind. Mehr Hip-Hop, aber auch Britpop, da ist viel zusammengeflossen und das stellt mich sehr zufrieden. Damit hätte ich am Anfang gar nicht gerechnet. Das macht mich sehr stolz.

Nina: Zu Recht! Hast du bei der EP dann einfach drauf los geschrieben?

Shelter Boy: Ja, ich weiß meisten gar nicht mehr, wie die Tracks entstanden sind. Bei vielen Songs weiß ich nicht mehr, was ich gemacht haben, dass die so ein Feeling bekommen haben.

Nina: Wie lange dauert es ungefähr bis du einen Song fertig geschrieben hast?

Shelter Boy: Wenn ich länger als eine Woche brauche, dann werde ich den in den meisten Fällen nie mehr machen. Wenn ich merke, dass es sich lohnt daran weiterzumachen, dann stürze ich mich da aber auch rein und treffe niemanden mehr und sitze nur noch zuhause. Das ist sehr einsam, alles selbst einzuspielen.

Nina: Ja, dann ist es doch gut, dass du jetzt mal wieder rauskommst! Deine neue EP heißt “Rock’n’Roll Saved My Childhood (lel)”. Dazu habe ich eigentlich nur eine Frage: Warum lel und nicht lol?

Shelter Boy: (Lacht) Dazu habe ich mir auch Gedanken gemacht. Es gibt dieses Online-Spiel, League Of Legends, was mit LOL abgekürzt wird und da dachte ich mir: “Hm, ne.. lel”. Also ist es das geworden.

Nina: Ziemlich plausible Erklärung, finde ich. Über dich findet man noch nicht allzu viele Infos im Internet. Wenn du dir etwas aussuchen könntest, was würden die Menschen über dich finden, wenn sie dich googeln? 

Shelter Boy: Gute Frage. Vielleicht, dass ich der interessanteste Künstler von Pitchfork bin. Oder ein Bild von meinem Strandhaus. Das ist eine echt schwierige Frage.. Irgendein Drogenskandal!

Nina: Muss auch mal sein, oder?

Shelter Boy: Ja, wird auch viel zu selten gemacht.

Nina: Dann bin ich gespannt, ob ich das demnächst mal über dich lesen werde! Danke dir für das Interview!

 

Foto: Philipp Gladsome

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