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Sam James im Interview über „Ego“, Social-Detox und „Trap Basquiat“

Sam James wollte nie dazugehören. In einem Rap-Kosmos, der vor toxischer Maskulinität nur so strotzt und keinerlei Schwäche zulässt, ist der junge Kölner sowas wie ein Antiheld. Zuletzt hat er mit Singlereleases wie „Albtraum“ und EP-Projekten wie zuletzt „Ego“ seine Nische gefunden. Niklas traf den Rapper zum Interview über sein neue EP und wollte wissen, was den Künstler inspiriert und was ihm in diesem Game auch gerade nicht gut tut.

Niklas: 2018 hast du in einem Interview gesagt, dass du ein Alleingänger bist. Wenn wir uns jetzt auch mal den Titel deiner EP „Ego“ anschauen: Bist du es nach wie vor?

Sam James: Ja, am Ende des Tages schon. Es gibt gewisse Sachen, die in einem drin sind, die man auch gar nicht los wird. Ich merke, dass mir dieses „alleine durchziehen“ auch oft zum Verhängnis wird, weil ich bei dem was ich tue aber einfach eine Vorstellung davon habe, wie ich es haben will von der Ästhetik, vom Sound, vom Mix, vom Master. Ich will das haben, wie es in meinem Kopf möchte. Das ist oftmals schwierig, wenn man mit jemandem zusammenarbeitet. Man einigt sich dann häufig auf etwas – findet einen Kompromiss. Ich bin leider sehr sehr stur bei kreativen Prozessen – Da ecke ich oft an. Aber bei der Kooperation mit „Illthinker“ bei der neuen EP habe ich dazugelernt, dass es auch gut ist, wenn man irgendwo zusammenfindet. Generell bin ich aber eher der Typ, der sich nicht abhängig macht, selbst seine Mitte findet und alleine seinen Weg geht.

Bleiben wir doch gleich mal deiner EP. Kannst du uns mal auf deinen Schaffungsprozess mitnehmen. Wie hast du den Entstehungsprozess wahrgenommen? Hattest du konkrete Pläne, die du von Anfang an durchgezogen hast?

Ich würde mich selber als Projektkünstler bezeichnen. Ich mag es, wenn Sachen einen roten Faden haben, zusammenhängen und Sinn ergeben. Bisher habe ich mich bei vergangenen Projekten immer an ein Konzept gehalten. Was aber zur Wahrheit dazugehört ist, dass sobald ich ein Projekt beendet habe, ist es auch wirklich beendet und ich versuche etwas komplett anderes zu machen. Nachdem ich bei „Handle With Care“ gefühlt alles zum Thema Herzschmerz, Beziehungen und Liebe erzählt hatte, war es raus. Deshalb bin ich zu dem Punkt gekommen etwas anderes machen zu wollen, weil es mich erstens dann langweilt und zweitens habe ich in dem Bereich dann keine Inspiration mehr. Danach hatte ich Bock etwas zu machen, was mehr nach vorne geht: „Ego“. Etwas aggressiver und mehr Spaß, das war das Mindset bei dem Ding. Dabei ist dieses Projekt eher zufällig entstanden. Ich habe einen neuen Studioraum gesucht, weil mein alter Komplex sich aufgelöst hat. Dann bin ich im Hof Illthinker über den Weg gelaufen. Wir kannten uns von Instagram, hatten uns aber noch nie wirklich getroffen. Benny hat mich zu sich ins Studio eingeladen und dort haben wir „Kain“ produziert. Schlussendlich kam es dann so, dass ich auch Untermiete für sein Studio zahle und wir uns  zusammengeschlossen und eine EP gemacht haben. Wir haben dann einfach schnell einen Vibe kreiert und sind gar nicht so verkopft an die Sache rangegangen. So ist das alles im Endeffekt entstanden.

Sam James – Ego

Wenn man sich mal deine erste EP „Sam vs. die Welt“ und heute „Ego“ anschaut, ähnelt sich das schon vom Mindset. Inwiefern unterscheidet sich denn der Sam von damals mit dem Sam heute? 

Ich glaube „Ego“ ist auf jeden Fall etwas saurer. Da lagen jetzt zwei bis drei Jahre zwischen „ich mache Musik in meinem Kinderzimmer und stehe vor der Ausbildung“ hin zu „ich stehe im Leben, arbeite und will wirklich was mit Musik machen“. Ich habe das traurige, in sich gekehrte von damals umgewandelt in Wut und Biss. Der Kern ist aber das selbe Thema, da hast du schon recht.

Mental Health war bei dir schon immer ein riesiges Thema. Bist du heute in einem anderen State of mind als damals?

Auf jeden Fall! Ich war selbst schon in Einrichtungen und habe viele Therapien gemacht. Ich habe also eine Vergangenheit mit diesen Mental Health Geschichten. Es ist jetzt aber viel  Zeit vergangen – ich habe durch Therapien viel gelernt über mich und bin an einem Punkt, wo ich gut mit mir zurecht finde. Das mag sich etwas Disney-Film-mäßig anhören, aber natürlich habe ich immer irgendwo an mir zu knabbern, das wird auch nie ganz weggehen, aber ich komme besser damit zu recht und kann es besser steuern. Musik ist ein absolutes Ventil für mich. Viele machen Sport um sich abzureagieren – ich schreib einfach ins Mic.

Gefühlt hast du vor einiger Zeit von heute auf morgen beschlossen, dass du eine Auszeit von Social Media nimmst. Seitdem hast du es deutlich reduziert. Was hat dich dazu veranlasst? 

Ich habe gemerkt, dass ich Probleme habe mit Sachen, die mich bremsen oder Sachen, die mich unglücklich machen. Von sowas lasse ich mich sehr leicht runterziehen. Social Media ist mir einfach irgendwann zu krass geworden. Ich möchte nicht auf eine App gehen und sehen was andere machen. Ich projiziere sehr viel auf mich selbst. Wenn ich sehe, dass jemand seine neuen Clickzahlen postet, mit jemand bestimmtem unterwegs ist oder im Urlaub ist, dann denke ich mir „du hast das jetzt nicht“. Ich denke, das ist der standadisierte Effekt davon. Das war eine Zeit lang so schwierig, dass es sich auf meine Musik ausgewirkt hat. Ich dachte, ich muss nach einem bestimmten Muster klingen, damit es funktioniert. Da bin ich an einen Punkt gekommen, wo ich gesagt habe: „Ich cutte das jetzt.“ Ich sahs im Studio und war uninspiriert. Zuerst wollte ich gar nichts mehr sehen und niemandem mehr folgen. Jetzt folge vier Personen, die mich musikalisch inspirieren. Ich versuche nur noch Sachen zu sehen, die mich nach vorne treiben.

Albtraum (feat. Nugat)

Wenn du „Ego“ jemandem beschreiben müsstest, der dich und deine Kunst noch überhaupt nicht kennt, welche drei Leitmotive würdest du dabei herausstellen?

Ein Aspekt ist auf jeden Fall, dass ich Musik als Ventil benutze – der biographische Faktor. Ich verarbeite dort, was ich erlebe und was ich sehe. Das zweite Motiv ist, dass ich immer etwas mitteilen will. Hier schlage ich nochmal den Link zu Social Media. Wenn Leute sich darstellen mit ihren coolen Autos und ihren freshen Sneaker, dann ist das einzige, was das bei jemand anderem auslöst: „Fuck, ich habe das nicht.“ Ich will weder in einem Song, noch in einem Post so etwas bei jemandem auslösen, ich will mich einfach mitteilen. Ich will mich nicht durch das abwerten anderer, selber aufwerten.

Ein weiteres Motiv, was ich dir jetzt hoffentlich nicht andichte, findet sich auf dem Cover von „Ego“ wieder. Darauf sieht man eine Zeichnung, die sehr an die Kunst von Basquiat erinnert. Du bezeichnest dich gerne als „Trap Basquiat“. Welche paralellen gibt es zwischen euch und warum claimst du diesen Namen für dich? 

Basquiat ist ein Künstler aus New York, der Popartmäßig viel bewegt hat. Ich kann mich natürlich nicht mit jemandem vergleichen, der offensichtlich eine Ikone ist. Ich mag aber einfach seine Sachen und ich mag auch die Hintergründe, den kritischen Aspekt und dass man bei aus seinen Bildern schließen kann, wenn es ihm nicht gut ging – das finde ich mega!  Genau das versuche ich auch in meiner Musik zu machen. Wenn man sich das Genre Trap anschaut, dann ist das nicht besonders tiefgründig. Es gibt viele gängige Motive. Ich habe den Anspruch das künstlerisch etwas zu drehen, daher „Trap Basquiat“, wie ich auch bei Twitter heiße. Das Bild auf dem Cover habe ich selber gemalt. Ursprünglich wollte ich diese EP auch „Trap Basquiat“ nennen, habe ich dann aber nicht. Vielleicht mache ich das nochmal bei einem anderen Tape. Den Namen will ich mir noch aufsparen für ein Projekt, wo ich wirklich wieder alles alleine mache. Er ist eine große Inspiration für mich.

Foto: IchBing

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