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[Live-Bericht] Ben Howard live im Tempodrom

Am vergangenen Sonntag hat der englische Singer-Songwriter Ben Howard eine Show im Tempodrom gespielt. Aktuell ist er mit seinem Album „Noonday Dream“ auf Europa-Tour. Wir waren dabei!

Das Tempodrom sorgt mit seinem Zirkuszelt-Look immer wieder für einen Wow-Effekt. Und dann steht da auch noch die große Bühne, auf der der englische Singer-Songwriter Ben Howard gleich mit sieben weiteren Musikern seine Fans verzaubern möchte. Im Raum vor der Bühne leider die Enttäuschung: Dafür, dass das Konzert von der Columbiahalle in das Tempodrom verlegt wurde, ist es hier verhältnismäßig leer. Das Publikum schafft es gerade mal den Raum zwischen Bühne und Technikerpult zu füllen und auf den Rängen sind nur die ersten Reihen besetzt.

Ben Howard mit einem beeindruckenden Bühnenbild

Als Ben Howard dann die Bühne betritt ist das erst einmal vergessen. Das Bühnenbild beeindruckt nicht nur mit einer riesigen Felswand im Hintergrund, sondern auch mit einer LED-Wand, auf der zwischenzeitlich kunstvolle Videos die Musik begleiten. Mit „Nicra Libres at Dusk“ aus seinem aktuellen Album „Noonday Dream“ eröffnet der Engländer den Abend. Das Instrumentale dominiert die Show und verträumt horcht das Publikum dem, was die Live-Musiker da oben darbieten. Dabei bleibt es dann aber auch leider die ganze Show über. Ben Howard macht Musik – mal sitzend, mal stehend – und das Publikum steht da. Von der Bühne aus gibt es keinen Funken Interaktion – kein Wort, keinen Blickkontakt. Abgesehen von kleinen Applaus-Einlagen nach den Liedern hat das Publikum keine Chance auf irgendetwas zu reagieren, was da oben passiert. Bis zur Zugabe gibt es ausschließlich Lieder aus dem aktuellen Album zu hören. Fans der ersten beiden Alben, mit denen Ben Howard berühmt geworden ist, gehen leer aus.

Könnte man die kommunikativen Umstände ausblenden, könnte man sich in einen Abend fallen lassen, der nicht künstlerischer sein könnte. Den Song „The Defeat“ leitet er mit einem Kurz-Cover des Songs „Wild World“ von Cat Stevens ein. Die LED-Wand zeigt nicht mehr die künstlerisch-geheimnisvollen Clips, sondern eine Menschenmasse, die in einen Supermarkt stürmt und um Waren kämpft – deutliche Kritik an unserer Konsum- und Überflussgesellschaft und ein Moment, der im Kopf bleibt.

Unsere heutige Konsumgesellschaft wird uns während der Show direkt vor Augen geführt

Es ist nicht abzustreiten, dass das, was Ben Howard musikalisch abliefert, faszinierend ist. Trotzdem gelingt es mir nicht auszublenden, dass in diesem Raum menschlich überhaupt nichts geschieht und damit der Funke einfach nicht überspringt. Ich habe das unangenehme Gefühl, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Am Ende bekommt der Künstler zwar ein paar Sätze aus ihm heraus, das aber nur mit extrem nuschelndem britischen Akzent und nicht wirklich an das Publikum gerichtet. Erst in der Zugabe spielt er eine Neuinterpretation von „Time Is Dancing“, „Evergreen“ und „In Dreams“ aus seinem zweiten Album „I Forget Where We Were“. Es kommt mir vor, als wäre das jetzt schon zu spät, denn die Stimmung ist schon zu angespannt.

Ben Howard beschenkt uns an diesem Abend mit beachtlicher, musikalischer Kunst, lässt uns aber dennoch mit einem merkwürdigen Gefühl zurück: Man möchte sich nicht beschweren, weil es ja wirklich gute Musik ist, die Ben Howard da zaubert. Trotzdem kann man nicht leugnen, dass sich große Enttäuschung breit macht. Nach wie vor werde ich mir die Musik von Ben Howard mit großem Vergnügen anhören – vielleicht aber doch lieber auf Platte anstatt bei einer Live-Show.