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Annama im Interview über ihr Debütalbum „Track Nr. 12“

Die Hamburger Künstlerin ANNAMA ist längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, wenn es um ihre Rolle in der Öffentlichkeit geht. Nach einer steilen Modelkarriere auf allen wichtigen Laufstegen dieser Welt, einer Zeit als Sängerin der Band B.O.X.E.R. und als Kandidatin in der Castingshow “The Voice”, hat sie sich nun für einen neuen Schritt entschieden und am 28. August ihr erstes Album im Alleingang veröffentlicht. Wir haben mit ihr über das Debüt “Track Nr. 12”, den Spagat zwischen Modeln und Musik und ihre musikalische Vergangenheit gesprochen.

Nina: Dein Debütalbum “Track Nr. 12” ist am 28. August erschienen. Du hast bereits eine Karriere in einer Band und einer Castingshow hinter dir. Wie kam es zu deiner Entscheidung dein Album solo zu veröffentlichen?

ANNAMA: Ich habe schon einiges an Erfahrung hinter mir und ich muss ehrlicherweise zugeben, dass das nie wirklich die Erfüllung war. Ich habe mich da nie so richtig zuhause gefühlt. Und ich habe mich tatsächlich auch lange nicht getraut, mein eigenes Ding anzugehen, weshalb das ein echt langer Prozess war, Vertrauen in das zu haben, was ich mache. Irgendwann habe ich den Mut zusammengefasst und musste auch der Band Tschüss sagen, weil ich mich auch damit nicht mehr all zu wohl gefühlt habe. Ich habe vorher immer englischsprachige Musik gemacht und war auch eher im Soul und R’n’B-Bereich unterwegs – also große Gefühle und ganz viel Dramatik. Ein Produzent meinte dann zu mir, ich solle mal deutsche Musik ausprobieren und das habe ich gemacht. Mich hat das total überrascht, dass ich mich damit so wohl fühle und ich bin froh, das gemacht zu haben.

N.: Du hast also vorher nie ausprobiert auch mal deutsche Texte zu schreiben?

ANNAMA: Niemals! Auf Englisch zu schreiben hat sich vor allem immer angeboten, weil ich lange Zeit viel international unterwegs war. Aber ich studiere ja auch Germanistik und ich liebe die deutsche Sprache einfach. Es gibt so großartige Worte und mittlerweile finde ich das einfach gut auf Deutsch zu singen und bin da zu hundert Prozent drin.

Annama – Rockstar

N.: Magst du etwas zu dem Entstehungsprozess erzählen? Es scheint, als würdest du in deinen Songs viel Persönliches verarbeiten?

A.: Ja, das Album ist autobiografisch. Der ein oder andere Song ist dabei auch etwas fiktiver. “Benzin” zum Beispiel ist inspiriert von dem Film “Natural Born Killer” von Tarantino. Ein bisschen Fiktion muss sein, ansonsten wird es irgendwann unerträglich, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Aber der Prozess, den ich währenddessen durchgemacht habe, war wichtig, weil ich den Schmerz darin verarbeite, sich von einem Menschen zu lösen.

N.: Das hört man definitiv raus.

A: Auf jeden Fall. Das ist der Grundtenor des ganzen Albums. Und der Prozess war hat mich zu unglaublich vielen Erkenntnissen gebracht. Ich habe auch zum ersten Mal gemerkt, wie wertvoll es sein kann, seine Gefühle niederzuschreiben.

N.: Wie fühlt es sich an, wenn man weiß, dass sehr viele Menschen einen so tiefen Einblick in deine Gefühlswelt bekommen?

A.: Erstaunlicherweise dachte ich anfangs auch “um Gottes Willen”! Das kann irgendwie ganz schön angsteinflößend sein, so die Hosen runterzulassen. Aber ich hatte neulich im Zug von Berlin nach Hamburg so einen Moment, in dem ich ein paar Zeilen geschrieben und hatte auf einmal so eine großartige Verbundenheit zur Welt. So ein Zugehörigkeitsgefühl, weil ich dachte, dass das bestimmt nicht nur mich, sondern auch viele andere beschäftigt. Ich glaube nämlich, dass wir alle irgendwie gleich fühlen und deswegen finde ich es umso wichtiger, richtig tief in der eigenen Scheiße zu graben, um wirklich die Grundessenz herauszuholen, da viele sich das vielleicht nicht trauen, weil es mit Schmerz zu tun hat. Aber am Ende ist es gut, wenn man es macht.

N.: Beim Hören dachte ich mir auch mehrmals: Ja, das fühl ich!

A.: Mega! Und das ist so schön zu hören. Ich muss auch dazu sagen, Erfolg ist für mich nicht zwingend das Finanzielle. Natürlich muss es irgendwie damit einhergehen, aber der Erfolg für mich ist, genau solche Sätze zu hören. Das zeigt, dass ich das richtige mache und anderen damit auch was Gutes tun kann.

N.: Du hast einige deiner Videos in Israel gedreht. Hast du eine besondere Verbindung zu dem Land?

A.: Tel Aviv hat mich von Anfang an so umgehauen, wie noch keine andere Stadt. Ich war damals mit meiner Ex-Band dort, um ein Musikvideo zu drehen und ich habe festgestellt, wie easy es sein kann, fremde Menschen zusammenzukriegen und einfach ein Projekt zu starten. Das fand ich so großartig. Seitdem war ich acht oder neun Mal wieder in Tel Aviv und habe so ziemlich alle meine Videos da produziert.

N.: Die erste Single aus deinem neuen Album heißt “Rockstar”. Du sagst „Vielleicht ist ein Rockstar jemand, der sich konsequent darüber hinwegsetzt, was andere ihm vorschreiben, um seine Authentizität zu wahren. In dem Sinne möchte ich schon Rockstar sein. Ich möchte meine eigenen Regeln definieren, mein ganz eigenes Werk schaffen und künstlerisch meiner Intuition folgen.“ – Wie kam es dann zu der Entscheidung, an einer Castingshow wie “The Voice” teilzunehmen, in der man weitgehend erstmal den Regeln anderer unterliegt?

A.: Genau das habe ich anfangs auch gedacht. Aber ich habe mir wahnsinnig viel Mühe gegeben dagegen in irgendeiner Form anzugehen. Und ich muss sagen, ich habe da mitgemacht, weil das einfach funktioniert hat und tatsächlich wurde man dort nicht umgeformt und konnte genau das sein, was man eben ist. Das habe ich versucht für mich zu nutzen. Das war eine tolle Erfahrung. Ich habe da einfach knallhart mein Ding durchgezogen.

N.: Wie hast du die Zeit dort generell empfunden?

A.: Ich habe auf dieser Bühne meine beste Bühnenerfahrung gemacht. Ich war bei Samu Haber im Team, der ja aus der Rock-Sparte kommt und da wollte er mich auch eher sehen. Ich durfte dann den Song “Paparazzi” von Lady Gaga performen und ich habe mich dabei auf der Bühne einfach komplett vergessen. Das Feedback war entsprechend schwierig, weil die Leute dachten, ich hätte irgendeinen Anfall oder so gehabt. Aber ich war da so drin und habe den Song mit jeder Pore gespürt. Das war heftig.

N.: Also war es schon ein sehr positives Erlebnis für dich?

A.: Ja. Man muss aber tatsächlich auch immer wieder darauf bestehen, sein Ding machen zu können und sich dahingehend etwas durchsetzen. Dann bekommt man auch nicht diesen Castingshow-Stempel aufgedrückt.

Zeig mir wie Liebe geht (Musikvideo)

N.: Wie einfach ist es, seine eigenen Regeln zu definieren, wenn man mit Plattenfirmen und Labels zusammenarbeitet? Wieviel kreative Freiheit bleibt da?

A.: Ich habe für mich selber erkannt, dass ich da nicht reingehöre. Alle sprechen von Vielfalt und wie wichtig sie ist. Aber eigentlich wird sie am Ende dann doch nicht zugelassen. Vor allem auf dem deutschen Markt. Es wird viel geklont. Man guckt, wo es ein entsprechendes Erfolgsmodell gibt, das funktioniert und macht es dann ähnlich. Und das wollte ich nicht. Mein Ziel war es, etwas zu verändern und einen neuen Anstoß zu geben.

N.: Das hört sich nach einer guten Entscheidung an.

A.: Naja, abwarten. Es ist ein steiniger Weg. Aber egal, ich bleibe dran!

N.: So soll es sein! In “Rockstar” gehst du mit Musikbusiness-Klischees und deinem alten Label ins Gericht. Auch in “Junge” hebst du die Grenzen traditioneller Rollenbilder auf. Wie empfindest du die Arbeit im immer noch männerdominierten Musikbusiness?

N.: Es ist leider wahr. Und was ein bisschen traurig ist, dass ich mich an gewisse Umgangsweisen schon gewöhnt habe. Ich merke das schon gar nicht mehr so richtig, wenn mir jemand komisch kommt und nehme es dann einfach so hin. Ich versuche einfach mein Ding durchzuziehen, ich habe ein Ziel, eine klare Vision und die möchte ich durchsetzen. Oftmals bin ich dann die stressige Frau, zu der gesagt wird “Beruhige dich mal ein bisschen, wir machen das hier schon.” Bei einem Mann wäre die Reaktion genau die gegenteilige. Da würde man dann wahrscheinlich sagen “Wow, was für ein Typ. Der ist richtig ambitioniert.” Ich werde da oft ein bisschen zurückgehalten.

N.: Du arbeitest unter anderem auch als Model. In dieser Branche erfährt man sicher ebenso soviel toxische Männlichkeit wie in der Musik. Wie gehst du in deinem Job damit um? In der Musik sprichst du dich durch deine Texte ja deutlich dagegen aus. 

A.: Gott sei Dank konnte ich mich davon jetzt auch mal ein bisschen distanzieren. Aber ich habe mich da nie all zu sehr reingesteigert. Das war, glaube ich, ganz gut. Ich habe immer versucht, das Modeln zu nutzen, um Erfahrungen zu sammeln und als Geldquelle für die Musik. Ich bin froh, dass ich diese Einnahmequelle habe. Aber ich bin auch froh, dass ich mich in der Musik verwirklichen kann und, dass ich damit ein Gegenpol habe zu diesem Püppchen-Dasein, das einfach nur angezogen wird.

N.: Man kann also sagen, dass Musik deine Leidenschaft ist und das Modeln eher Mittel zum Zweck?

A.: Auf jeden Fall! Ich habe das Modeln auch genossen, aber irgendwann wächst man da raus. Ich wollte mir das selber nicht mehr antun, nur um drei Sekunden für einen, oftmals super arroganten Designer, auf dem Laufsteg zu sein. Ich will das alles aber nicht missen, Das hat mich wahnsinnig geformt. Ich war früher zum Beispiel wahnsinnig schüchtern. Das war richtig schlimm. Aber das Modeln und die Musik haben mich richtig geöffnet.

N.: Wann hast du mit dem Modeln angefangen?

A.: Ich wurde angesprochen, das war ich gerade 15. Mit 18 bin ich dann direkt ins Ausland und habe echt alle großen Fashion-Metropolen mitgenommen.

N.: Und mit 14 hast du angefangen zu singen?

A.: Ja. Natürlich habe ich immer irgendwie gesungen, weil meine Emotionen einfach irgendwo hin mussten. Ich habe dann viele Songs gecovert, aber nie richtig selber Musik gemacht. Das ging dann so mit 15, 16 los, als ich auf  Produzenten gestoßen bin, mit denen ich mich ausprobieren konnte und ich gemerkt habe, dass auch wirklich Leute daran interessiert sind, mit mir zu arbeiten.

N.: Hast du von Anfang an deine eigenen Songs geschrieben?

A.: Nein, ich wünschte, das könnte ich von mir sagen. Aber ich war echt so das Mädchen, das ihre Coversongs von Leuten wie PINK, Barbra Streisand oder Joss Stone gesungen hat.

Annama – Benzin

N.: Hast du ein musikalisches Vorbild?

A.: Ja und nein. Mich beeinflusst vieles, aber es gibt nicht die eine konkrete Person. Ich fand Patti Smith und Joan Wasser schon immer beeindruckend. Das ist alles sehr puristisch, hat aber gleichzeitig diese Echtheit mit einer großartigen Botschaft. Momentan finde ich auch Noga Erez sehr beeindruckend. Die ist einfach eine wahnsinnig starke Persönlichkeit, die Musik ist der Hammer und die Videos haben immer ein sehr gutes und rundes Konzept.

N.: Woher nimmst du generell deine Inspiration?

A.: Aus dem ganzen Leben. Das kann auch eine Biene sein, die die ganze Zeit gegen eine Fensterscheibe donnert. Oft aber auch aus Filmen ode Gesprächen. Und ganz klar auch aus Musik. Aber wenn man wach durch die Welt läuft, entdeckt man überall etwas, was einen inspirieren kann.

N.: Gibt es eine bestimmte Botschaft, die du anderen durch deine Musik mit auf den Weg geben möchtest?

A.: Ich hoffe einfach, anderen irgendetwas mitgeben zu können. Vor allem auch anderen Frauen in der Musikszene, damit sie den Mut haben, tief in ihre Gefühlswelt reinzugehen und es hin und wieder auch mal gegen den Strom zu wagen. Ich glaube, das kann durchaus Anklang finden. Es braucht vielleicht ein bisschen mehr Zeit, aber ich will anderen Mut machen, trotzdem diesen Weg zu gehen.

 

Foto: Sasha Prilutsky

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